Achtung: Spoiler! 🙂
Ein weiterer Horror-Thriller aus dem Festa-Verlag hielt Einzug in meine überquellende Bibliothek. Black Sheep, das Schwarze Schaf. Tatsächlich ist der Buchtitel sehr treffend gewählt, während man sich schon die Frage stellen muss, welchen Teufel der Verlag geritten hat. Denn mit Horror hatte der Roman bis zur letzten Seite wenig gemein.
Eine junge Ausreißerin stellt sich als Kellnerin dem harten Alltag der amerikanischen Gesellschaft. Malochen, Rechnungen zahlen, essen, saufen, vögeln und schlafen. Tagein tagaus dasselbe. An sich eine Kombination, die durchaus reizvoll klingt. Willkommen im Leben von Hauptprotagonistin Vesper. Jawohl, richtig gelesen. Hierzulande wird dieser Name unweigerlich mit einer deftigen Zwischenmahlzeit verknüpft. In Amerika benennt man ja seine Kinder auch nach Großstädten und fernen Planeten, da fällt die schwarzhaarige Schönheit namentlich kaum besonders auf. Doch eines Tages erhält sie einen Brief von ihrer Familie. Von wem, das steht nirgendwo geschrieben. Sie solle zur Hochzeit ihrer ehemals besten Freundin und ihres ehemaligen Geliebten nach Hause kommen, weil man sie vermissen würde. Eine explosive Kombination. Vor Jahren floh Vesper vor ihrer Familie, die sich in sektenähnlichen Strukturen ihrem Glauben verschrieben hat. Sie hielt es einfach nicht mehr da aus, wo sich ihr Leben nur zwischen Versen, Vorschriften und Gesetzen hin und her bewegte. Ein weiterer Grund für ihre damalige Flucht war ihre gefühlskalte Mutter, eine berühmte Schauspielerin, die landesweite Berühmtheit mit ihren cineastischen Horrorschockern erlangt hat und sich vor Fans kaum retten kann. Verständlich, dass Vesper die Einladung nicht annähernd in Betracht ziehen wird, oder?
Nun, kurzum. Sie fährt natürlich aus Neugierde doch nach Hause. Aufs Land, mit einer wunderschönen Farm und mehr Ackerland, als die Familie selbst je bewirtschaften könnte. Aber darum geht es auch nicht. Denn die Familie möchte ihren Glauben in Abgeschiedenheit ausleben. Die Gemeinde ist zwar von überschaubarer Größe, möchte aber nicht gestört werden. Satanisten halt. Wie bitte?? Keine christliche Sekte, die sich beim Morgengebet an den Händen fasst und den Herrn überschwänglich preist? Meine Reaktion… ein heftiges Uff. Mit vielem hatte ich gerechnet, damit aber nicht. Letztlich passiert halt das, was an Hochzeitswochenenden immer so passiert. Auch unter Luzifers Deckmantel. Die eine trinkt zu viel, der andere kann seine Gefühle nicht länger verbergen und die Traumehe scheitert schon, bevor sie richtig begonnen hat. Zum Vesper war die Luft raus. Und fast hätte ich’s vergessen: Der Vater ist natürlich der leibhaftige Teufel, dessen Tochter sich nach Wutausbrüchen schon des Öfteren gefragt hatte, warum ihr Streitpartner ganz zufällig im Affekt einen schweren Unfall erleiden musste. Das wird ihr alles erst so richtig klar, als ihr zu ihrer Volljährigkeit der Papa höchstselbst erscheint, den sie seit ihrer Geburt nie wieder zu Gesicht bekommen hatte. Und der Papa ist der leibhaftige Teufel in Menschengestalt. Also der richtige Satan. Nicht irgendein Typ im Kostüm, der von ein paar wohlhabenden Anhängern durchgefüttert wird. Natürlich soll die Tochter das entscheidende Puzzleteil zur Apokalypse werden, doch die will sich, wenig überraschend, nicht freiwillig opfern.
Von Beginn an bekam ich hier ein Coming-of-Age-Familiendrama der besseren Sorte zu lesen. Aber Horror? Nur weil der Teufel im Detail steckt und der Belzebub höchstpersönlich ein paar Mal im Roman seinen, zweifellos grandios inszenierten, mysteriösen Auftritt hat, wird ein Roman nicht gleich zum Horrorthriller. Thriller ja, ich konnte das Buch kaum weglegen. Aber einen schaurigen Moment oder ein Gänsehautgefühl hatte ich nicht mal beim feurigen Finale. Ansonsten wird hier die gut durchdachte Lebensgeschichte einer jungen Frau erzählt, die mir sehr gut gefiel und die einige Kritik an der amerikanischen Gesellschaft übt. Toll und spannend geschrieben, aber auch oftmals sehr voraussehbar erzählt. Wäre der Autorin zum Ende hin nicht noch das ein oder andere Schmankerl eingefallen, hätte ich ihr höchstwahrscheinlich nur einen durchschnittlich guten Roman bescheinigt. Mit den unerwarteten Wendungen und dem Kracherfinale rettet sich Rachel Harrison auf vier von fünf schwarze Wollflocken.