Handlung
Auf Topsid setzen Eric Manoli, die ehemalige Sexarbeiterin Khatleen-Tarr und der getarnte Kopfgeldjäger Gihl-Khuan ihren Weg zum Hort der Weisen fort, um den Anführer der Kaltblütigen zu treffen. Im Gebirge angekommen, werden sie von Wächtern des Hortes in einem energetischen Käfig eingefangen und mit Gas betäubt. Eric Manoli wird als Troghadim aufgenommen, ein Unikum für einen Humanoiden. Khatleen-Tarr und Gihl-Khuan werden ebenfalls als Schüler der Weisen im Hort akzeptiert und begeben sich gemeinsam mit dem Terraner auf die lebensgefährliche Reise. Trotz aller Widrigkeiten erreichen sie die Siedlung mitten im Berghang und nehmen das dort angeordnete Schlaf- und Stärkungsmittel. Eric Manoli wird von Kalmukh unter einem Vorwand frühzeitig geweckt und überlebt dessen Attentatsversuch. Die ihm freundlich gesinnte Wächterin Thersa-Khrur durchschaut Manoli’s Tarnung, da ihr die Arkoniden bekannt sind. Der Despot Megh-Takarr hält sich nämlich in seinem Refugium einen humanoiden Zoo. Dort zwingt er gefangene Arkoniden zu perversen Spielchen, zur Belustigung der Bevölkerung und Stärkung seiner eigenen Position. Manoli erzählt Thersa-Khrur darauf hin die Wahrheit über seine Herkunft. Dank seiner Ehrlichkeit hat er in Thersa-Khrur eine Freundin gefunden, die ihn ausdrücklich vor Gihl-Khuan warnt. Khatleen-Tarr geht eine Liaison mit Gihl-Khuan ein. Als die Flugechse Kikerren unerwartet zurück kehrt, offenbart der Kopfgeldjäger, dass er mit dem Tier kommunizieren kann. Gihl-Khuan verstümmelt sich selbst, seine optische Anpassung zum Throg lassen Thersa-Khrur’s Bedenken verstummen, dass die Gruppe den lebensgefährlichen Aufstieg zum Thron der Weisen angehen will. Durch seine gute Beobachtungsgabe lernt Manoli schnell, dass die Lianen Leben in sich tragen und gezielt gesteuert werden können. Somit gelangt er, trotz aller anatomischen Unzulänglichkeiten, auf die Bergspitze und betritt diese. Auf dem steinernen Thron empfängt sie Trker-Hon, ein Traktorstrahl zieht plötzlich alle in das innere eines Raumschiffes. In der topsidischen Hauptstadt wird Bismall-Kehn, der Bordellbetreiber, mit weiteren Rebellen verhaftet und dem Despoten Megh-Takarr vorgeführt. Mit Verweis auf die Sozialen Weisungen setzt der Herrscher die Hinrichtungen vorerst aus, auf Empfehlung seines Beraters. Es gelingt ihm, seinen größten politischen Widersacher mundtot zu machen. Der große Triumph wird durch den Selbstmord seiner Lieblingsinsassen im Arkonidenzoo überschattet. Als der Despot darauf hin den Gefängnisaufseher zur Rede stellt, übergibt ihm sein Stellvertreter ein unerwartetes Geschenk. Trker-Hon, Eric Manoli und Khatleen-Tarr werden im vorgeführt.
Homer G. Adams reist mit der NESBITT-BRECK zur Venus-Zuflucht. Dort eröffnet ihm die arkonidische Stationspositronik, dass ihre Programmierung eine Unterstützung der Menschheit beeinhaltet, insofern die Menschheit zurstimmen würde. Bürgermeister Bai Jun wird von Homer G. Adams angewiesen, die Stadt Terrania zu evakuieren. Zur Ratssitzung der Terranischen Union unterrichtet Lesley K. Pounder die Versammlung über den Fund von Leben auf dem Mars und dem damit einher gehenden Baustopp. Homer G. Adams reist mit einer Delegation erneut zur Venuszuflucht und gibt der Stationspositronik grünes Licht nach dem Ratsbeschluß. Darauf hin erhebt sich die Zuflucht in den Weltraum und fliegt zur Erde, wo sie sich mit dem Stardust Tower zum ersten Weltraumfahrstuhl der Menschheitsgeschichte verbindet.
Meinung
„I love the simplicity of it“. Das in Amerika berühmte Zitat von Simon Cowell, einem Jurymitglied der Talentshow „America’s Got Talent“, fiel mir zum aktuellen Titelbild umgehend in den Schoß. Eigentlich wird nur eine handelsübliche Raumstation über einem typischen Wüstenplaneten abgebildet. Doch das reicht in diesem Fall völlig aus, um mich zu überzeugen. Das Farbenspiel ist einfach toll in Szene gesetzt worden. Gefällt mir.
Was mir allerdings bereits nach den ersten Seiten negativ ins Auge stach, war der unglückliche Handlungsübergang um Gihl-Khuan. Der Kopfgeldjäger hatte sich nach seinem melancholischen Einbruch in der Hauptstadtkanalisation dazu entschieden, den Befehl seines Despoten zu ignorieren. Um sein Seelenheil bei den Kaltblütigen im Hort der Weisen zu finden und um der Frage nach zu gehen, ob sein Heimatplanet eventuell doch noch existiert. Davon ist anfangs nichts zu spüren. Mit zynischen und heuchlerischen Kommentaren versucht Gihl-Khuan fortlaufend, Eric Manoli zu reizen. Das passt nicht zum loyalen umschwenken nach dem Kampf gegen die Schlüpflinge. Im weiteren Romanverlauf wurden seine wahren Beweggründe offenbart, dies gelang Christian Montillon wiederum hervorragend.
Der menschliche und topsidische Physiognomie können ja schon gegensetzlicher nicht sein. Das trifft sicherlich auch auf die Wirksamkeit von Medikamenten bei beiden Lebensformen zu. Der Weg zum Hort der Weisen wäre unter realistischen Gesichtspunkten schon völlig unmöglich zu bewerkstelligen gewesen. Der phantastische Erfolg Eric Manoli’s spricht dann aber sogar für einen Marvel-Helden! Die Wirkung der Superpillen vor Ort hingegen setzte dem Erzählstrang die Krone der Übertreibung auf. Den Echsen gelingt es nicht, wetterfeste und sturmbeständige Hütten im Berghang zu errichten, aber ein medizinisches Wundermittel liegt in wahren Massen bereit. Ein wenig mehr Bodenständigkeit hätte nicht nur dem höhnenängstlichen Leser gut getan.
Auf der Venus wiederum gelingt es Homer G. Adams spielend, der Positronik ihr streng gehütetes Geheimnis zu entlocken. Im zweiminütigen Gespräch. Hier waren terranische Spezialisten zuvor monatelang auf Granit gestoßen. Es sind solche storydienlichen Details, die mir immer wieder mal sauer aufgestoßen sind. Ich versuche mich grundsätzlich in die Charaktere hinein zu versetzen, damit ich ihre Beweggründe und Handlungsweisen besser nachvollziehen kann. Diesen Anspruch stelle ich an jeden Roman, gerade weil NEO diese Stärken eigentlich als großes Aushängeschild präsentiert. Deshalb sind solche Widersprüche ein ziemlicher Trigger für mich. Und ich spreche hier nicht von Adam’s halbmutantischen Fähigkeiten, die er im Umgang mit der leblosen Positronik gar nicht erst ausspielen kann. Auch in dieser Hinsicht wirkt der Erfolg des Administrators der Terranischen Union etwas an den Haaren herbei gezogen.
Abgesehen von einer Hand voll Unstimmigkeiten ist dem Autor aber eine sehr glaubwürdige Moralpredigt gelungen, die mich beim Lesen zum Nachdenken anregte. Um den Umgang der Topsider mit ihren Schlüpflingen besser verstehen zu können, erzählt Christian Montillon eine, für menschliche Normen und Werte, traurige und erschreckend realistische Geschichte. Der Stärkere gewinnt, die natürliche Auslese wird als Mittel gegen die drohende Überbevölkerung akzeptiert. Dadurch wird der aggressive Charakter der Topsider für mich als Leser greifbar gemacht. Wer bereits von Kindesbeinen an auf sich gestellt ist, wird zur Gewalt gezwungen, ein reiner Selbsterhaltungstrieb. Sehr gut veranschaulicht und ein gleichzeitig als deftiger Seitenhieb auf unsere gesellschaftliche Einordnung des einzelnen Individuums zu verstehen. Getoppt wird dieses Evolutionsdrama noch durch die abartigen Perversionen des Despoten. Megh-Takarr hält sich privat einen Arkoniden-Zoo und liebt es, die Humanoiden bei ihren Paarungsritualen zu beobachten. Doch dabei bleibt es nicht. Der Herrscher verwendet die intimen Details zur Verbreitung innerhalb der Mediennetze und erntet damit Sympathien bei seinen Untergebenen. Social Media zur Volksbelustigung. Von wegen anderer Planet, andere Sitten. Das tragische Ende der beiden verliebten Arkoniden setzte den Schlußpunkt unter einen emotional aufwühlenden Roman.
Was zudem erschreckend auf mich wirkte, waren die klar erkennbaren Parallelen zu Terra. Der Mensch ist, ähnlich wie die topsidische Spezies, durch und durch miltiärisch strukturiert. Auch wenn unser Bild von den aggressiven Echsen zunächst anderes impliziert, sind wir den Tospidern doch charakterlich ähnlicher als wir uns jemals eingestehen würden. Die Abscheu vor der Andersartigkeit sollte uns nicht davon abhalten, uns selbst den Spiegel vor zu halten. Die sozialen Weisungen werden von den Topsidern stark geachtet, die elf Gebote der menschlichen Religion dagegen gründlich missachtet. Was sagt das über uns Menschen aus? Viel Platz für philosophische Debatten, ich fand diese Kernbotschaft passend und zeitgemäß.
Zitat des Romans
Vertrauen Sie mal einer Echse!
eric manoli
Wertung und Fazit
Es gibt einiges zu bemängeln. In erster Linie findet kein nennenswerter Handlungsfortschritt statt, aber deshalb eine schlechte Wertung vergeben? Nein, der Roman liefert nur genügend Angriffsfläche für ausschweifende Kritik. Der Unterhaltungswert war enorm hoch und schwankte durchgängig zwischen hochemotionalem Gefühlskino und spannender Kletteraction. NEO üblich verschmelzen viele kleine Geschichten zu einer gelungenen Gesamterzählung. Topsidische Verhaltensweisen sind nach dem lesen viel verständlicher. Die aggressiv-kriegerische Einstellung des Volkes erhält eine nachvollziehbare Grundlage. Christian Montillon schreibt mit viel Liebe zum Detail und auch mit einer guten Portion Humor. Viel entscheidender ist für mich aber die Botschaft hinter dem Roman, die jede negative Kritik redundant erscheinen lässt. So hoch hinaus es in der Handlung geht, so hoch strecke ich auch den Daumen in Richtung Hort der Weisen!
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