Robert Corvus liefert mit STERNENBRÜCKE einen Science Fiction Roman außerhalb des Perryversums ab, der mit 368 Seiten nicht besonders umfangreich, dafür aber sehr unterhaltsam daherkommt.

In Sternenbrücke haben die Konzerne auf der Erde und im Weltall die Macht ergriffen. Das kapitalistische System lässt den Menschen zwar eine Illusion von Freiheit, allerdings auch nur so lange, wie sie dem System dienlich sind und Profit erwirtschaften. Wer durch das Raster fällt, verelendet und verendet, meist unter Drogen und dergleichen. Robert Corvus extrapoliert hier unsere reale Entwicklung und nutzt ein altbekanntes Muster aus Dystopien.
Ein netter Kniff: Jeder Mensch trägt einen Chip in der Stirn, der den jeweiligen Reichtum des Menschen für jeden sichtbar macht. Sozialer Status ohne Möglichkeit, mehr darzustellen, als man tatsächlich ist.

Die Menschheit ist bereits im All unterwegs und hat einige Kolonien gegründet. Da es keinen Überlichtantrieb für individuelle Raumschiffe gibt, greift man auf das Sternentor-Prinzip zurück. Ein Überlichtflug ist möglich, jedoch nur zwischen diesen Sternentoren.
Ergo müssen erst einmal Raumschiffe über Jahre oder gar Jahrzehnte, manchmal sogar Jahrhunderte zum Zielsystem fliegen und dort ein Sternentor bauen. Die Menschen an Bord dieser Schiffe liegen im künstlichen Kälteschlaf.

STERNENBRÜCKE setzt zu Beginn auf reine Fantasy, was aber schnell aufgelöst wird. Der Protagonist der Story, Yul, ist ein Arzt, der im Dienst des Konzerns STARSILVER stand, und sozial wie seelisch abgestürzt, als seine Liebe seines Lebens bei einem Flug über eine Sternenbrücke im Hyperraum verunglückt und vermeintlich stirbt. Die Verbindung zum Zielsystem ist unterbrochen worden und natürlich weiß erst mal niemand, was vorgefallen ist.

Yul lebt in einer künstlich induzierten Traumwelt, was jedoch viel kostet und sein Ziel, dort für immer bleiben zu können, scheitert an seinen finanziellen Mitteln.
Im Laufe der Handlung wird er von STARSILVER fast schon zwangsrekrutiert. Für einen Flug in eben jenes System, zu dem einst seine geliebte Frau unterwegs war.
Yul offenbart hier bereits, dass er mehr als nur eine gescheiterte, halb kriminelle Existenz darstellt. Robert baut seinen Hauptcharakter liebevoll als strauchelnden Antihelden auf, dessen Verzweiflung am Leben an sich spürbar wird.

Yuls Anker, wenn ihm selber dies auch nicht so bewusst ist, ist sein Hund. Dieser Hund, genannt Pilgrim, hechelt und kuschelt sich durch das ganze Buch, wird also nicht einfach als Plotbunny aufgebaut und dann vergessen. Im Gegenteil, er ist immer wieder präsent, ohne entscheidend zu wirken oder ein großes Geheimnis mit sich umher zu schleppen. Er ist einfach ein Hund, der sich durch die Handlung winselt und wedelt. Und doch zeigt dieses kleine Detail, dass sich Robert Corvus von Seite Eins an Gedanken gemacht hat, wie er seine Handlung aufbaut und führt.

Natürlich erwartet unseren Helden wider Willen im Zielsystem eine große Überraschung. Eine menschliche Zivilisation, fernab aller Konzerne. Und wie erwartet kommt es zum Konflikt zwischen den Freigeistern und den mit dem Brückenbauraumschiff angereisten Konzernangestellten.
Da es sich für einen Roman gehört, Spannung aufzubauen, bekommt die freie Zivilisation, die sich anfangs als Paradies präsentiert, Risse und Schatten. Und ja, am Ende gibt es einen dicken Plottwist. Der jedoch keineswegs unerwartet kommt. Zumindest nicht für lesende Personen, die schon einige Bücher verschlungen haben.
Nimmt dem Twist allerdings nicht den Impact. Manchmal ist selbst das zu erwartende Ereignis so gut geschildert, dass es dennoch Spaß bringen kann. Dies gelingt Robert Corvus hier.

Etwas verwirrend fand ich die über mehrere Seiten gehende exzessive Sexszene. Ja, anders kann man das nicht mehr nennen. Mag sein, dass manche Leser so was toll finden. Ich konnte mich eher nur fremdschämen. Zumal die wilde Kopulation auf die Handlung im Grunde gar keine Auswirkung hat.
Abgesehen von diesem kleinen Manko bin ich mit Stil und Sprache hoch zufrieden. Die Immersion gelingt, man möchte einfach weiterlesen und das Buch in einem Rutsch beenden. Was durchaus möglich ist, so dick ist es ja nicht.
Sicher hätte man noch etwas mehr Science zur Fiction packen können. Ein wenig mehr Funktionsprinzipien zur namensgebenden Sternenbrücke, ein paar technische Beschreibungen des Weltraumfahrstuhls, der in der Handlung auftaucht. Technikfetischisten werden definitiv nicht bedient. Was dem Flow des Romans gut tut, aber eben auch ein wenig schade ist. Ein paar Seiten hätte man durchaus problemlos dafür einkalkulieren können.

Schade, dass Robert das Grande Finale in Action durchhechelt. Bei einem Perry Rhodan Heft hat man oft das Gefühl, dass einem Autor die Seiten ausgingen. Ein Umstand, der bei einem als Einzelbuch erscheinenden Roman eigentlich nicht auftreten sollte. Ja, eine Action-Handlung wirkt meistens dann besonders immersiv und intensiv, wenn sie sich auf die notwendigsten Schilderungen beschränkt. Wenn kurze Sätze dominieren. Ein paar Seiten mehr hätten meiner Meinung nach jedoch gutgetan, insbesondere wenn man den doch etwas gemächlicheren Einstieg in die Handlung bedenkt.
Gerade die Interaktion Yuls mit den anderen Figuren zeichnet die Stärke von STERNENBRÜCKE aus. Wenn dies im Finale plötzlich fast zu kurz kommt, dann lässt es zumindest mich als Leser einen Tick unbefriedigt zurück. Allerdings ist diese Kritik auf allerhöchstem Niveau gejammert.

Fazit
So bleibt am Ende ein guter, solider Roman, der Spaß macht und sein Hauptziel voll erfüllt: Den Leser gut zu unterhalten. Ein Roman, der genau nur dies will und nicht mehr zu sein versucht. Daher eine klare Leseempfehlung von mir.

Sternenbrücke – ein Roman von Robert Corvus (Gastbeitrag)

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