Besprechung des Romans: Ministerium für die Zukunft von Kim Stanley Robinson
Die Geschichte
Im Jahr 2025 wird Indien von einer unglaublichen Hitzewelle heimgesucht, bei der 20 Millionen Menschen sterben. Einer der Überlebenden, der Entwicklungshelfer Frank May, irrt danach ziellos durch die Welt, auf der Suche nach Erklärungen und einen neuen Sinn im Leben.
In der Schweiz trifft er Mary Murphy, die „Ministerin für die Zukunft“. Das Ministerium wurde im Anschluss an die Katastrophe in Indien gegründet und soll die weltweiten „Bemühungen“ koordinieren, um den Klimawandel doch noch zu stoppen.
Für viele (Regierungen) hat das Ministerium lediglich eine Alibi-Funktion, aber die Frau Ministerin und ihr Stab verlassen sich nicht auf die Vernunft der Welt. Sie wissen, dass sie mehr aufbieten müssen, als Infovideos und Broschüren, mehr als Zahlen und Argumente. Also kommen sie im Laufe der Geschichte mit einigen sehr kreativen Ideen um die Ecke. Aber auch auf der informellen Ebene ist das Ministerium hier und da nicht untätig und ideenlos …
Die Geschichten in der Geschichte
Das Ministerium für die Zukunft ist keine Geschichte, an deren Anfang eine Katastrophe und am Ende die Rettung der Welt steht. Zwar beginnt sie mit einem Knall und am Ende steht zwar nicht direkt eine Lösung, aber immerhin ein hoffnungsvoller Ansatz. Der Weg ist aber ein anderer, als man es sonst so kennt. Dass das Lesegefühl ein ungewöhnliches sein kann, ist bei einem Kim Stanley Robinson Roman ja eher die Regel und gehört schon irgendwie dazu. Beim „Ministerium“ ist das aber doch noch mal ein anderer Level und zwar positiv, wie anspruchsvoll.
Die Rahmengeschichte des Romans ist das Leben und Werk der Irin Mary Murphy und ihrem Ministerium. Schritt für Schritt kämpft sie sich durch Institutionen und Konferenzen und scheint langsam aber sicher zu verzweifeln, denn wie in der „realen“ Welt, scheint der Kampf gegen die Klimakatastrophe immer nachrangig zu sein. Aber Murphy und ihrem Team gehen die Ideen einfach nicht aus und sie versuchen viel auf ganz unterschiedlichen Wegen und Ebenen. Am Ende des Tages setzt sich dann auch nicht das eigentlich wissenschaftlich sinnvollste Konzept durch, sondern das wirtschaftlich interessanteste. Man muss die Leute halt nicht bei ihrem Verstand, sondern bei ihrem Portemonnaie packen, dann klappt‘s auch (das erinnert mich hier ein klein wenig an Pantopia von Theresa Hannig). Das klingt dann so sinnvoll und logisch dass man sich fragen muss: WARUM haben wir so was eigentlich nicht jetzt schon?
Eingewobenen in Marys Geschichte treffen wir Frank May, der durch die Ereignisse in Indien schwer traumatisiert ist. Immer wieder kreuzen sich ihre Geschichten. Marys Weg ist der der Rettung der Welt, den sie bei allen Widrigkeiten mir großem Siegeswillen beschreitet. Frank ist der Einzelkämpfer, dessen Leben das immerwährende Scheitern ist. Ihre gemeinsamen kleinen Momente, geben der „großen“ Geschichte ein paar ruhige persönliche Elemente.
Geschichten über Ideen in der Geschichte
In der Handlung um Frank, Mary und ihren einzelnen und gemeinsamen Kämpfen gegen bzw. um die Welt, sind wiederum viele Ereignisse und Erzählungen verwoben. Sie erzählen kleine und große Episoden und Katastrophen, die der Klimawandel auf der Erde verursacht. Robinson schildert aber auch immer wieder kleine und größere Episoden, in denen der Klima-Wandel erfolgreich und mit großer Energie und Kreativität bekämpft wird. Die erscheinen streckenweise so logisch das man sich erneut fragt: WARUM hat das bisher noch keiner versucht?
UND als ob das nicht schon genug wäre gibt, es noch eine letzte Erzählperspektive in der uns auch noch wissenschaftliche Fakten / Elemente, die in der Welt des Klimas eine wichtige Rolle spielen, erklärt werden. Im Gegensatz zur „realen“ Welt gibt es immer wieder Mittel und Wege realistisch und effektiv gegen den Klimawandel vorzugehen. Das ist anstrengend, mühsam und teuer, aber es geht. Man muss es nur machen und wollen.
Kleiner persönlicher Rant
Ich frage mich manchmal, wie aus dem „Land der Dichter und Denker, der Ingenieure und Erfinder das Land der Heulsusen, Schwarz-Seher und Jammerer“ geworden ist. Gerade im Nachgang der Aufräumarbeiten und Wiederaufbauarbeiten der Ahrflut hab ich immer wieder hören „dürfen“, was alles nicht geht, was alles schlimm ist, was alles von den bösen bösen Grünen, der fiesen gemeinen Regierung (und „Schlimmeren“) kaputt gemacht wird und warum dieses Land eigentlich ja gar nicht am Abgrund steht, sondern eigentlich schon weit drüber hinaus ist. Und eigentlich muss man ja gar nix mehr machen, weil ja schon alles kaputt und viel zu spät ist. Und natürlich waren „damals“ schon die Grünen alles Schuld.
All diese Leute, müssten eigentlich dieses Buch lesen und hoffentlich realisieren, dass sie aufhören sollen zu jammern, sondern einfach mal anfangen zu machen. Aber dann muss man Dinge anders machen und vielleicht auch mal sich und das eigene Sein und Tun zu hinterfragen. Aber was weiß denn ich schon …
Fazit
Das Buch ist ein Brocken, sowohl in Seitenzahl, als auch im Inhalt. Das liest sich auch so. Das „Ministerium für die Zukunft“ ist keine Wohlfühllektüre, aber das weiß man vermutlich mittlerweile.
Im Sprawl Radio Podcast „Otherland on Air“ sagt einer der Besitzer des Berliner Buchladens „Otherland“ Wolfgang Tress über den Roman sinngemäß „Man kann jede beliebige Seite aufschlagen und einem Klima-Leugner vorlesen und Ende der Diskussion“. Das kommt dem Buch schon sehr sehr nahe. Für mich eines der eindrucksvollsten und wichtigsten Bücher der letzten Jahre.
Gelesen habe ich das Ministerium für die Zukunft im Sommer 2022, der bekanntermaßen, ein sehr heißer, sehr langer und sehr trockener Sommer war. Einer der weltweiten „Hotspots“ dabei war Indien …. Siehe oben …
Ja, dieses Buch sollte jeder gelesen haben und sich zu Herzen nehmen.
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Übrigens, ich kann nicht lesen, was unter diesem Kommentarformular steht. Schwarze Schrift auf Schwarz ist nicht optimal.
Hallo Columbus 🙂
Kannst du mir einen Screenshot der schwarzen Schrift auf schwarzem Grund zukommen lassen? Gerne per Mail an christoph at radio-freies-ertrus.de
LG
Würde ich gerne, aber das Formular sieht bei mir jetzt anders aus. Es fehlen die drei Kontrollkästchen, worin steht, ob man per Mail informiert werden möchte etc. Stattdessen gibt’s Schiebeschalter und alles ist gut lesbar (siehe Screenshot per Mail).
Ich habe das Buch ebenfalls letzten Sommer gelesen und kann es nur weiterempfehlen. Was mich am meisten schockiert hat – das Ministerium hat nur deshalb Erfolg weil Klimaterroristen hunderte Flugzeuge abstürzen lassen und hunderte Schiffe untergehen lassen. Wahrscheinlich hat der Autor recht.
Das hab ich für mich ein wenig unter „für die Geschichte“ verbucht. Ein wenig hats ja auch für die Spannung gebraucht.
Ich fands faszinierend, dass sie es in der Geschichte geschafft haben, dass auch über finanzielle Dinge/Anreize zu lösen. Da fragt man sich schon irgendwo warum kriegt man das in der Realität nicht hin?
(Und ja, damit das klappt hats in der Geschichte die „äußeren“ Anreize gebraucht 😉 ).