Handlung
Die Gefährten um Perry Rhodan werden beim Betreten der Loower’schen Neunturmanlage voneinander getrennt. Unterdessen havariert eine Dragonfly der BASIS auf einem Asteroiden, die ursprünglich lediglich hyperphysikalischen Phänomenen auf den Grund gehen sollte. Lia Tifflor kämpft an Bord der BASIS, mit Hilfe von Sud, gegen ihre Entzugserscheinungen an. Das Mentamalgam stellt bei einem Hirnscan fest, dass die Halluzinationen von Lia nicht auf ihren Drogenmissbrauch zurückzuführen sind. Im Untergrund findet der Einsatztrupp um die ansatzweise kurierte Lia Tifflor ein Millionen Jahre altes Höhlensystem mit atembarer Atmosphäre und ein versteinertes Lebewesen vor. Lia wird gescannt und eine riesige Maschinerie läuft im Inneren der entdeckten Station an. Douc Langur warnt davor, das versteinerte Wesen an Bord der BASIS aus seiner Versteinerung zu lösen. Mit allerlei Schutzvorkehrungen versehen, wird der Labori aus seinem Gefängnis befreit, greift daraufhin Melbar Kasom und Douc Langur an und verletzt beide erheblich.
Auf Monol trifft das Team um Perry, nach bestehen einer Rätselprüfung, wieder auf Pankha-Skrin, Icho Tolot und Nathalie. Sie erfahren, dass der anderen Gruppe abweichende Aufgaben gestellt wurden. Im Inneren einer Kuppel geht es tief nach unten, wo die Expedition mit der Loowerin Serkha-Tros konfrontiert wird, die Quellmeister Pankha-Skrin ehrerbietig begrüßt. Das Quellhäuschen von Perry Rhodan akzeptiert sie als Eintrittskarte in die Kammer. Auf dem Weg dorthin erhascht Gucky in den Gedanken des Loowers eine erschreckende Warnung: Das Ende von allem, Symaios droht! Die Terraner erfahren in der Kammer davon, dass die uralten Loower einst Catron geschaffen hatten, die Komplexität aber eine eigene Persönlichkeit entwickelte und nun nicht mehr beherrschbar ist. Im Skafun wird Perry Rhodan Zeuge einer intensiven Simulation über die Folgen einer Zersplitterung von Catron oder über dessen Fortbestehen, wenn nichts unternommen wird. In diesem Moment rematerialisieren neun Schwestern der Tiefe unter Leitung von Dao-Lin-H’ay in der Kammer und es kommt zum Kampf, da unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen.
Auf der BASIS materialisiert eine wanzenartige Schwester der Tiefe, mit einem Roboter, aus dem Nichts. Gerade rechtzeitig, um Lia zu schützen. Aveen ter Lomar tötet den Labori im Kampf und versetzt beide anschließend in ihre Klause, wo sie Lias Gehirn separieren will, weil diese als Trägerin unwürdig ist. Die Terranerin kann die Schwester der Tiefe überzeugen, ihr eine Chance zu geben. Sie und Perry sind laut Aveen ter Lomar die beiden einzigen Träger des Quellhäuschens. Die Schwester der Tiefe und Douc Langur eröffnen Lia Tifflor, dass sie einen wichtigen Keim in sich trägt, der ein anbahnendes Unheil abwenden könnte. Die Konstrukteure des Zentrums wiederum sehen in Perry Rhodan ihren Heilsbringer, da Pankha-Skrin spurlos verschwunden ist und überreichen ihm einen Anzug der Distanz. Beide Seiten haben im großen galaktischen Spiel offenbar unterschiedliche Pläne mit Catron.
Meinung
Lia Tifflor bei der Arbeit. Das Titelbild in einem kurzen Satz zusammengefasst. Was das mit der Festung der Loower zu tun hat, sei dahingestellt. Das ärgert mich ein wenig und freut mich gleichzeitig. Denn Lia visualisiert zu sehen, erzeugt ein nachhaltiges Bild in meinem Kopf. Die chirurgisch detaillierten Zerebralprojektionen ließen bei der Farbenauswahl, von Blautönen abgesehen, nicht allzu viele Möglichkeiten offen. Aber genau so stellte ich mir, schon vor diesem Roman, den Arbeitsplatz von Perry Rhodans Zögling vor. Daumen hoch.
Marie Erikson hatte bereits zum Erscheinungstermin des Romans über ihre Social Media Kanäle verbreitet, dass sie die Handlungsebene um Perry Rhodan schreiben durfte. Michael Tinnefeld übernahm den Lia-Abschnitt, was aufgrund seines Berufs als psychologischer Psychotherapeut natürlich die naheliegende Entscheidung war. Auch ohne diese Information wäre mir ein Rätselraten dieses mal erspart geblieben. NEO-Neuautor Tinnefeld nutzt sein berufliches Potential voll aus und beschreibt den kalten Entzug von Lia Tifflor sehr eindrücklich. Marie Erikson hatte es ebenfalls auf Anhieb gepackt, mich zu fesseln. Die Havarie in Kapitel 7 umschrieb die bedrohlichen normal- und hyperphysikalischen Zustände rund um das BASIS-Versteck dermaßen plastisch, dass mir der Mund vor Ehrfurcht offen stehen blieb. Mein erster Uff-Moment. Das Personal der Dragonfly schuf für mich zudem eine beklemmende und dichte Leseatmosphäre, die mir im Gedächtnis bleiben wird. Schon fast widerstrebend ging es danach wieder zurück in die anderen Handlungsebenen auf Monol und der BASIS. Von denen ich dann auch nicht genug bekommen konnte. Ein sehr schöner Auftakt im ersten Romandrittel.
Das Team ‚Schlüssel Rhodan‘ hat den ihnen unbewussten Vorteil, dass die NEO-Autorenschaft nicht an deren Skalpe ran darf. Die Gruppe in der Neunturm-Erzählung ahnt davon natürlich nichts und zittert sich munter von Quest zu Quest beziehungsweise Raum zu Raum. Woher sollte Perry denn auch wissen, dass das Ableben der Großkopferten höchstens in den Wunschgedanken der Autorenschaft kreative Formen annehmen darf. Von daher ist immer der Weg das Ziel. Und auf diesem gerät Gucky in suggerierte Lebensgefahr. Durch vorgegaukelte Schmerzen. Mit Ekelfaktor, aufgrund sehr expliziter Schilderungen. Hat mir gut gefallen. Also nicht auf sadistische Weise. Keineswegs. Sondern wie sich Marie Erikson dem Thema angenommen hat. Spannung zu erzeugen, die auf Grundlagen beruht, deren Entwicklung für die Leserschaft doch eigentlich klar vorhersehbar sind. Aber durch äußerst kreative Wegfindung stets für Überraschungen sorgte. Chapeau Marie!
„Er rief sich ins Gedächtnis, dass…“
„Vor einigen Wochen hatte sie eine fesselnde Trividdokumentation gesehen, worin…“
„Tifflor erinnerte sich an ihre militärische Grundausbildung…“
Drei Beispiele für Herleitungen, die mir überhaupt nicht gefielen. Das Prinzip ‚Glücklicher Zufall‘ wurde hier so intensiv bemüht, dass es störend auf mich wirkte. Atlan könnte mit seinem fotografischen Gedächtnis glaubwürdig auf solche Informationen zurückgreifen. Bei Avio Sanchez und Lia Tifflor bewirkte es das Gegenteil. Das Tippen dieser Zeilen erfolgte unmittelbar nach dem Lesen des zweiten Zitats. Bei ersterem grummelte ich noch leicht in mich hinein, bei letzterem war der Lesefluss erst mal ungewollt gestoppt. Solche Bequemlichkeiten im Kreativprozess kann ich nicht ignorieren, weil mich das wuschig macht. Gleiches gilt für Notsignale, Nottransitionen oder Raumschiffdiebstähle. Nach ein paar hundert Romanen im Gesamtperryversum gehen bei mir gleich alle Alarmglocken an, wenn ich solche haarsträubenden Allgemeinplätze vorgesetzt bekomme. Niemals würde sich eine Lia Tifflor Jahre später noch an die Basisgrundlagen ihrer militärischen Ausbildung erinnern. Im Ernstfall zudem, kurz vorm Abnippeln. Ging mir nicht anders, als junger Panzermann im ersten Auslandseinsatz. Da hast du ganz andere Gedanken. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass Debütant Tinnefeld solche kleinen Nickligkeiten künftig vermeiden wird.
Aber zurück zur Handlung. Auf reiner Spannungsebene kann ich mich nicht beklagen. Michael Tinnefeld zeigt über die Gesamthandlung hinweg immer wieder mal, weshalb ihn der Ruf aus Rastatt ereilt hat. Sein angenehm flüssiger Schreibstil hat mir genauso zugesagt wie der Handlungsstrang Tifflor an sich. Der Charakter der Chefärztin litt in der Vorwoche noch schwer. Weniger am kalten Entzug und den damit verbundenen Nebenwirkungen, denn an unausgegorener Beschreibung und Darstellung durch den Autor. Das machte Michael Tinnefeld um Welten besser und lieferte eine glaubwürdige Charakterisierung von Perrys Patenkind ab. Allerdings verlor ich den Lesefaden immer dann, wenn es sich nicht explizit um Lia’s Krankheitsbild drehte. Der Actionpart las sich gefällig, ohne zu glänzen. Während Predatorverschnitt Amtranik einst auf einem paradiesischen Planeten gar höllisch wütete, gelang es dem Labori auf der Isolierstation nicht annähernd so gut, für Verluste unter seinen Feinden zu sorgen. Auch wenn er, frisch erwacht von den Toten, noch nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, überzeugte mich dessen vergleichsweise harmloser Auftritt nicht vollends.
Endlich bekamen wir mehr von den Loowern zu sehen und das gleich mit der ultimativen Warnung versehen: Symaios! Die Konstrukteure des Zentrums in persona hatten es verbockt. Vor langer Zeit überschritt Catron die Rakkor-Grenze und konnte nicht mehr gebändigt werden. Irgendetwas sagt mir, dass die Terraner jetzt schleunigst Donna Stetson auf SENECA ansetzen sollten. Da gab es in der Vergangenheit auch schon einige haarsträubende Entwicklungen. Mit Auftauchen von Dao-Lin-H’ay begann das große kosmische Spiel noch eine Spur immersiver zu werden. Die Actionszenen machten ebenfalls viel her, das war allererste Güte. Durch Überlappung der beiden Schauplätze im letzten Romandrittel, geriet die Erzählung dann aber leider zum Verwirrspiel. Zwei Actionsequenzen in beiden Erzählsträngen. Ständig tauchte irgendeine neue Fraktion irgendwo auf und machte irgendwas Kampfentscheidendes. Schwindelerregend! Irgendwann konnte ich mich nur noch an der Figur Tifflor orientieren, um die Ereignisse richtig einordnen zu können. Ich finde, hier hätte mehr Struktur in den Roman gehört, das war zu verworren und kaum mehr auseinander zu halten. Durch die übertriebene Häufung an relevanten Ereignissen ging für mich auch etliches an Spannung flöten, weil zwangsläufig ein zu kopfbasiertes Lesen in den Fokus rückte. Zumindest wird nun klar, dass die Konstrukteure des Zentrums und die Schwestern der Tiefe unterschiedliche Pläne mit Catron haben und verbittert um ihren Standpunkt kämpfen werden. Das verspricht Hochspannung für die beiden Abschlussromane der Staffel!
Zitat des Romans
Ist das etwa ein Rätsel? Na toll. Und ich bin in der Gruppe ohne den Loower und das Planhirn!
gucky dünkt, dass er im schwächeren team ist
Das Paradezitat für einen Roman, dessen Dialoge mir in der Perryhandlungsebene sehr viel Spaß bereitet hatten.
Fazit und Wertung
Ein Roman wie ein Escape Room. Tödlich spannend, mit zahlreichen kniffligen Rätseln versehen und tollen Dialogen gewürzt, die ihren Schwerpunkt beim Mausbiber und seinen jeweiligen Gesprächspartnern hatten. Die Handlungsebene um Perry Rhodan hat mir sehr gut gefallen. Michael Tinnefeld liefert mit dem Erzählstrang um Lia Tifflor ein solides Debüt ab, vor allem dank einer wirklich guten Charakterisierung der Chefärztin. Die mir um Längen besser gefiel, als beim Expeditionsauftakt auf Monol. Allerdings zeigten die Handlungsabschnitte unter Tinnefelds Feder, die sich nicht primär um Tifflors Suchtproblem kümmerten, dass der Autor noch neu im NEOversum ist. Eine gewisse Sattelfestigkeit fehlte da verständlicherweise noch. Die überlappenden Actionszenen beider Handlungsebenen kollidierten am Ende unvorteilhaft, als es mir bei den Kapitelübergängen schwer fiel, die richtige Schauplatzzuordnung zu finden. Mit den lange ersehnten Antworten um die Bedeutung und Aufgabe der Loower in M87 und Catrons Geburtsnachweis als persönlichem Uff-Moment, gab es ordentlich Zündstoff für zünftige und künftige Spekulationen. Zudem waren einige Horrorelemente mit Ekelfaktor dabei, die ich persönlich gefeiert habe, weil ich Maries Talent in dieser Sparte sehr schätze. „Horrorbraut“ Erikson hat auf jeden Fall gute Unterstützungsarbeit geleistet, wenn man bedenkt, dass sie selbst noch recht frisch als Autorin mit an Bord ist. Ich fand den Roman im Gesamten zwar sehr ansprechend, aber an manchen Stellen qualitativ deutlich schwächer als die besten Werke der laufenden Staffel von Lucy Guth und Rüdiger Schäfer. Das größte Manko sehe ich in den zahlreichen haarsträubenden Herleitungen (siehe Meinungsteil), die mich komplett aus dem Konzept brachten. Nach dem Wickenhäuserschen Ausritt ins tiefste Tal auf Monol, war dieser Roman trotz allem aber schon wieder ein ganz anderes Kaliber. Fairerweise würde ich beide Schreibleistungen getrennt bewerten wollen. Ich lasse somit vier von fünf Exit-Buttons für Marie Erikson liegen und platziere drei von fünf Vitostat-Geschmacksproben für Michael Tinnefeld im Kühlschrank. Müsste ich mich festlegen, wären aufgrund der genannten Kritikpunkte letztlich drei von fünf Leuchtsandkörnern mein Lohn für einen stabilen Roman, der mich aber nicht so richtig begeistern konnte.