Handlung

Um zu einem vollwertigen Mitglied des Kollektivs werden zu können, müssen sich die Nakken regelmäßigen Prüfungen unterziehen. Der junge Shymlith konnte sich bisher durch Mogelei immer retten, entschließt sich aber dieses Mal, die Prüfung ohne Betrug zu vollziehen. Mit fatalen Konsequenzen, da er sich als Enshar outet. Die Ausgestoßenen werden üblicherweise dem Ritual der Reinigung unterzogen, damit sie wieder eingegliedert werden können. Die Reinigung genießt keinen guten Ruf und Syhmlith flüchtet deshalb zum Enshar Licorne, der ihm einen Weg aus der Misere aufzeigt. Gemeinsam mit seinem Schlupfbruder Orrivex will dieser das Vastara verlassen und außerhalb der geschützten Kuppel auf Reisen gehen, doch dieser lehnt aus Angst vor den Folgen ab. Von einem Kuppelaufseher erwischt, werden die beiden zu einer improvisierten Flucht gezwungen und landen in der freien und gefährlichen Wildnis.

Perry Rhodan gerät mit seinen Reisegefährten in den gefährlichen Sog der aggressiven Flora und Fauna von Nansar. Gucky empfängt einen mentalen Hilferuf von Shymlith, der aufgrund von Energieproblemen zu sterben droht. Mit Syhmlith im Gepäck dürfen die Terraner ins Vastara einreisen. Thora erweist sich nach Prüfung als empfänglich für die Erläuterungen über den Evolytherax, das Wesen des Kollektivs, da sie einen Extrasinn besitzt. Nach der Einnahme der gefährlichen Substanz Endemid, stirbt Shymlith wider erwarten nicht, sondern es offenbaren sich ganz neue geistige Fähigkeiten und ein starkes Selbstbewusstsein. Perry Rhodan erhält daraufhin die von ihm gewünschten Antworten. Die Nakken hatten die Hamamesch in die Milchstraße geschickt, weil die Hyperraumgranulation dort stark zurückgeht. Mithilfe der Kontore wollten die Hamamesch den Terranern Gutes tun und ihre große Bitte um Asyl erkaufen. Mit winzigen Mengen Oxypamin in den Ilixieren wollten sie etwas nachhelfen und hatten damit einen riesigen Fehler begangen. Durch den Endemid-Entzug droht der Milchstraße der Kollaps, da die Entzugserscheinungen am Ende unweigerlich zum Tod führen. Die Nakken versorgen die MAGELLAN mit allem, was für eine schnelle Rückreise benötigt wird und schicken zudem Shymlith als Botschafter mit.

Meinung

Wenn es nur nach dem Titelbild geht, ist mein Interesse schon geweckt worden. Brachiale Naturgewalten in satten, blau gefärbten Dunkeltönen. Inmitten des blitzenden Chaos die MAGELLAN, als riesiger faradayscher Käfig. Funktioniert auch im Vakuum, also im All. Von daher stimmt hier sowohl die wissenschaftliche Komponente als auch die optische Darstellung. Schönes, wenn auch einmal mehr generisches Titelbild. Perfekt für die Wiederkehr einer meiner Lieblingsautorinnen, Marlene von Hagen. Nun war ich gespannt herauszufinden, wer welchen Teil der Geschichte geschrieben hat. Denn der Expokrat Rüdiger Schäfer nahm sich einer Hälfte der Erzählung an.

Bereits nach wenigen Seiten wurde mir klar, dass ich ein großer Fan der Lebensweise der Nansarer bin. Nakken und Hamamesch sind aufeinander angewiesen, weil sie sich unter anderem zur Befruchtung gegenseitig brauchen. Das Individuum steht stets hinter dem Kollektiv zurück. Größtes Ziel der Nansar-Bewohner ist es, irgendwann im großen Ganzen aufzugehen. Klingt alles nach der Bildung einer Superintelligenz in der Mächtigkeitsballung M33. Ich bleibe mal im Terminus der Erstauflage. Ich könnte mir weiterhin gut vorstellen, dass hier ein Gegenspieler von ES heran wächst. Bin mir aber bei der Rolle der Nakken und Hamamesch nicht mehr ganz so sicher, da sich das Helfervolk höchst rätselhaft verhält. Sowohl die Fremdartigkeit der Einheimischen als auch der hervorragend erzählte Alltag der beiden Völker gefielen mir um Längen besser als der andere Handlungsstrang. Begrifflichkeiten wie Denkozean oder furzende Fauna kreierten Wohlfühllesemomente. Okay, furzen und wohlfühlen in einem Satz zu bringen spricht für eine gewisse Weinseligkeit, die sich bei mir nach einem wunderschönen Tag inmitten der fränkischen Natur eingestellt hatte. Dennoch bleibt mir nüchtern fest zu halten, dass die Geschichte der beiden Nakken-Schlupfbrüder mir jederzeit ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Auch wenn im terranischen Erzählabschnitt Humor und Dialoge äußerst positiv heraus stachen, so war die Geschichte für mich anfangs doch eher ein Störfaktor. Bis zur Romanhalbzeit bleiben mir primär die Angriffe der aggressiven Pflanzenwelt im Gedächtnis hängen. Der Rest wurde höchst unterhaltsam erzählt, das schon. Aber es fehlte mir das gewisse Üffchen erzählerische Exklusivität. Pflanzenangriffe hatten wir die letzten Jahre bei NEO gefühlt in jeder Staffel. Allerdings kam dafür die Action mal wieder ordentlich in Schwung und aufgrund Thoras Dagordarbietung sah ich mich übergangslos in ein Streetfighter-Videospiel versetzt. Zur Romanmitte hin näherten sich beide Erzählstränge so sehr einander an, dass es mir zunehmend schwer fiel, die Übersicht zu behalten. Von den Wächtern des Kollektivs war bis dahin nicht viel zu sehen. Alles lief offensichtlich darauf hinaus, dass sich irgendwann und irgendwo Terraner und Nakken begegnen würden. Verwertbare Neuigkeiten indes passten auf einen kleinen Bierdeckel. Die Handlung stagnierte. Und irgendwie kam mir die Geschichte der beiden Nakken bekannt vor. Ich mag mich irren. Aber die Story von zwei Ausreißern, die letztendlich alles bereuen und dann merken, dass ihr handeln Konsequenzen hat, ist nicht ganz neu. Deshalb tat ich mir im letzten Drittel mit der Lesemotivation ein wenig schwer und schob den Roman ein paar Tage vor mir her.

Das Harmonische Kollektiv RüSchäMavoHa machte seinen Job so gut, dass der fließende Übergang in die planetare Großexpedition kaum auffiel. Und dazu brauchte es nicht mal einen Dritten im Bunde. Zum Vatertag nahm ich den Roman erneut in die Hand, da sich das Wetter äußerst wechselhaft verhielt. Auf dem Grill lagen dennoch leckere Nackensteaks (der musste sein… nein, es waren schmackhafte Dönerstyle-Bratwürste) und gut gestärkt las sich das letzte Romandrittel schon viel interessanter an. Vor allem die Erläuterungen über den Imprint entschädigten für die zähe Dschungelexpedition. Wobei es mich schon schwer verwunderte, dass die Nakken tatsächlich aus gutem Willen und purer Existenznot heraus gehandelt hatten. Darauf hätte ich keinen Cent gesetzt.

Was bleibt an essentiellen Informationen letztendlich hängen? Zum einen, dass die Hamamesch Diener der Nakken und beide in Bezug auf ihre Fortpflanzung voneinander abhängig sind. Zum anderen, dass der Evolytherax für die mentalen Spezies auf Nansar das Höchste der Gefühle ist. Thora hat durch ihren Extrasinn besonderen Respekt erlangt, da sie dadurch geistig den höchsten Stand innerhalb der terranischen Delegation aufweist. Abtrünnige oder Enshar, wie der Nakk Shymlith genannt wird, werden als Einzeldenker dagegen gemieden. Der Erhabene Denker Zevithar steht in der Verantwortung, solche Individuen wieder ins Kollektiv einzugliedern. Wofür unter anderem die Reinigung angesetzt werden kann. Endemid dagegen ist ein lebensgefährliches Präparat, das bei besonders widerspenstigen Enshar eingesetzt wird, um die Probanden geistig zu bändigen. In leichteren Fällen wird den in Ungnade Gefallenen der Zugang zum großen Kollektiv verwehrt, was als Stille des Geistes bezeichnet wird. Gegen Ende des Romans gab es dann endlich auch ein paar Antworten auf grundlegende Staffelfragen. Imprint wird begrifflich erläutert und die Auswirkungen der Droge auf die Terraner wird schockierend enthüllt. Ich hätte nicht erwartet, dass sich die Nakken als Auftraggeber der Hamamesch entpuppen würden. Genauso wenig hätte ich ihnen lautere Absichten unterstellt. Somit bleibt ein echter Bösewicht in dieser Staffel obsolet. Die Kontore als großer Unfall. Halbes Uff. Die Mitreise auf der MAGELLAN von Shymlith, durch dessen Eigenschaften als Enshar ist das kein Problem, feiere ich sehr. Den Kerl mag ich irgendwie. Nächstes halbes Uff. Dabei blieb es dann aber auch.

Was mich nach lesen des Romans am meisten beschäftigte, war eine grundlegende Frage: Wie konnten die körperlich stark eingeschränkten Nakken im Frühstadium ihrer Existenz überhaupt überleben und sich zu einer derart technikaffinen Spezies entwickeln? Sie schufen ja die Hamamesch selbst und mussten hierzu bereits eine Grundlage geschaffen haben, bevor die ersten ihrer Art an ihrer eigenen Limitiertheit scheitern mussten. Wer waren ihre Gönner? Waren es die Liduuri, wie es auf Zwottertracht bereits zur Sprache kam. Möglicherweise werde ich mich mit Antworten gedulden müssen.

Zitat des Romans

Lass uns keine Zeit vergeuden. Langsam wird mein Nährschleim dünnflüssig.

Die beiden Nakken Orrivex und Shymlith faszinierten mich beide dank der kreativen Dialoge und der so herrlich fremdartigen Verhaltensweisen, die keinerlei Vermenschlichung aufwiesen. Im NEOversum ist das keine Selbstverständlichkeit und spricht sehr für die gute schriftstellerische Arbeit

Fazit und Wertung

Herausragend harmonisch hat die Zusammenarbeit zwischen Marlene von Hagen und Rüdiger Schäfer funktioniert, da die beiden Geschichten nahtlos und damit völlig unmerklich ineinander über gingen. Nach starkem Start und einer sehr interessanten Volksvorstellungen der Hamamesch und Nakken wurden sich beide Erzählabschnitte zwischenzeitlich aber zu ähnlich und es ging gefühlt nur noch um die Pflanzenwelt auf Nansar. Während sich die Frage immer mehr aufdrängte, wohin uns die Reise eigentlich führen soll. In dieser Phase verlor der Roman an Spannung und Exklusivität. Das harmonische Kollektiv konnte erst zum Ende hin wieder meinen Lese-Enthusiasmus auslösen. Nakken beauftragen Hamamesch, verseuchen versehentlich die Milchstraße und unterm Strich war das alles ein großer Unfall. Hätte ich nicht erwartet. Nun geht es mit Nakken zurück in die Heimat und der großen Frage, was für ein Chaos Perry und Kollegen da nun vorfinden werden. Oder kommen sie gar nicht erst so weit, weil wieder etwas unvorhergesehenes passiert? Wäre nicht das erste Mal. Das harmonische Kollektiv erhält von mir drei von fünf Dosierungen Endemit, um über die nächsten paarunddrölfzig Schreibtage zu kommen. Ein Uff mehr und ich hätte hier durchaus noch eine Dosis drauflegen können. Willkommen zurück Marlene! Dein Schnecken-Part gefiel mir sogar noch einen Ticken besser als der Rhodan-Beitrag von Rüdiger, da die Volksbiographie mir außerordentlich imponierte.

Review: Perry Rhodan NEO 357 – Wächter des Kollektivs
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