Handlung

Aveline Celestaris bekommt, wie zuvor schon Gucky, einen Parapressor eingepflanzt und beginnt ihre Ausbildung zur Spezialistin der Nacht. Mit einem Team aus zehn weiteren unfreiwillig Auserwählten setzt sie in simulierten und echten Gefechten ihre Schattenwaffe Eidolon ein, den sie mittlerweile präzise kontrollieren kann. Hotrena-Taak vertraut ihr bald die Einsatzleitung in einem Schlag gegen die Rebellen an, wo sie nur knapp dem Tode entkommen kann und von ihrem neuen Vertrauten Zorith-Kaan geheilt wird. Nachdem Aveline ihren Nulltest bestanden hatte, der darin bestand, ihre Loyalität zu testen, lässt Hotrena-Taak die neue Spezialistin der Nacht auf Perry Rhodan los. An anderer Stelle flüchtet die Besatzung des SVE-Raumers VINDICA, unter Führung von Perry Rhodan, von der evakuierten Mediatorplattform. Doch genau das wird zum Problem der Greikos, da diese nur in Umgebung eines Umbrischen Gongs überlebensfähig sind. Auf einem kleinen Planeten finden sie auf der Suche nach einer neuen Plattform unverhofft Unterstützung der Kanarshul. Somit gelingt es ihnen, die Greikos zu retten und sich einen Freund im Larengranulon zu sichern. Auf einen Notruf hin transitiert die VINDICA über einer verlassenen Greikostation, wo sie direkt angegriffen und zur Notlandung gezwungen werden.

In einer Videoübertragung wendet sich Aveline an Perry und offenbart ihm, dass sie eine monatelange Ausbildung durchlaufen hat, während für die Terraner nur ein paar Tage ins Land gezogen sind. Sie stellt ihnen ein Ultimatum, sich freiwillig zu ergeben, was Perry standesgemäß verweigert und für eine direkte Konfrontation mit den Spezialisten der Nacht sorgt. Im großen Endkampf befiehlt Hotrena-Taak den Spezialisten der Nacht, erst Gucky und dann Aveline selbst zu töten, da diese zögert. Die Mhirah lässt den Pressor im Kopf von Avelines Geliebten und Teammitglied Zorith-Kaan explodieren, woraufhin die Umbrakinetin die Fassung verliert und Eidolon entfesselt. Der verstofflichte Wirbelwind schaltet alle Spezialisten aus, bevor sich Aveline beherrschen kann und die Larin verschont. Das Zögern nutzt die Mhirah aus und drückt an der verbliebenen Fernbedienung die rote Taste. Die Zerebralimplantate reagieren glücklicherweise nicht, woraufhin die Terraner ihr verlorenes Mitglied aus der Gefahrenzone bringen können. Ein unbekannter Gönner verschafft ihnen nicht nur einen Hyperenergieschub zur Flucht, sondern hatte zuvor auch die Pressoren abgeschaltet. Von der vermeintlich stillgelegten Mediatorplattform meldet sich ein Greiko, der am Abschiedsgeschenk der geretteten Vogelwesen Nathalie lokalisieren konnte. Die überlebenden Spezialisten der Nacht können ohne ihre ehemalige Chefin entkommen und verabschieden sich ohne Groll von Aveline und den Terranern. Hotrena-Taak erwacht schwer gezeichnet und schwört auf Rache.

Meinung

Also wenn die zierliche Gestalt auf dem Cover Aveline Celestaris darstellen soll, wovon ich stark ausgehe, dann bin ich schwer enttäuscht. Zur Serieneinführung der frisch gebackenen Spezialistin der Nacht sah sie aus wie ein bildhübscher Teenager, auf dem aktuellen Cover wirkt sie wie eine ausgemergelte Mitvierzigerin. Aufgrund dieses wichtigen Details zeigt mein Daumen steil nach unten. Die grimmigen Blicke der beiden Spezialtruppler und der farblich stimmige Hintergrund schmeicheln durchaus meinem ästhetischen Empfinden. Ohne den angesprochenen Fauxpas hätte ich für dieses Cover leise applaudiert. Begeisterungsstürme erwartend ging es ans Leseerlebnis.

Wenn die Autor*innen des Perryversums genauso lange auf ihr Autorenhonorar warten müssten, wie ich auf meine wöchentliche Postlieferung, dann wäre die Serie sicher längst eingestellt worden. Zum Glück gibt es elektronische Wege, um einen Roman pünktlich zu erhalten. Sonst wäre mein Kinn wohl erst ein paar Tage später auf den Fußboden gefallen, da Lucy Guth mal eben eine Romaneröffnung der Spitzenklasse vorgelegt hatte. Aveline, respektive Eidolon, tötet Perry Rhodan. Uff. Nun liebe Lucy, du weißt ja, dass das so ein bisserl schwierig ist mit der Glaubwürdigkeit bei Titelheldentötung und so. Aber angefixt war ich dennoch. Was war passiert? Alles reine Simulation? Oder doch nicht?! Perfekter Cliffhanger, um Verwirrung zu stiften. Den Romanausgang vorweg genommen und an den Start gepackt. So liebe ich das. Und es wirkte. Dröllfzig Seiten später sollte ich mich erst wieder wichtigen menschlichen Bedürfnissen zuwenden können. Nicht nur der Kopf drohte zu platzen, auch der Darm…. aber lassen wir das mit den Details!

Roctin-Par ist raus aus dem Geschehen. Er hat Wichtigeres vor und muss seinen Deus-ex-Moment genießen, schon klar. Ich mag solche Halbsatzlösungen nicht, weil das der ganzen Geschichte ein Geschmäckle verleiht und eine seit zig Heften handlungsrelevante Mehrwegfigur auf höchst unwürdige Weise aufs Abstellgleis befördert. Davon abgesehen entwickelte sich für mich nach dem „Mord“ an Perry (noch in Anführungszeichen) eine herrlich intensive Geschichte rund um die Spezialisten der Nacht (SdN). Ein kunterbunter Haufen Laren und andere Wesen tummeln sich in der, jetzt elfköpfigen, Truppe der SdN. Jedes Mitglied mit einer superinteressanten Geschichte versehen. Ich hatte mich vorab schon sehr auf den Roman von Lucy Guth gefreut, weil ich mir nach dem Schub der Vorgängerromane einen halbwegs versöhnlichen Staffelausgang gewünscht hatte. Und die Weltenbauministerin enttäuschte mich nicht. Charaktertelling zum Verlieben, Spannung auf höchster Stufe.

Selten habe ich ein so interessantes Berichtsheft zu lesen bekommen. Azubine Aveline räumte unter ihren neuen Gegnern auf und Lucy Guth teilte ihr ganz subtil das komplette Spezialistenteam zu. So erfahren wir auf schwer unterhaltsame Weise, Zug um Zug, etliche Details über die Skills der Truppe. Ich hatte zeitweise den Plottwist von „Ender’s Game“ im Kopf, wo aus vorgegaukelter Simulation am Ende die böse Gewissheit eines realen Massakers stand. Ziemlich schnell wurde aber klar, dass ich einmal mehr den Guth’schen Scheinreminiszenzen unterlegen war. Aveline wurde im Eiltempo vom Neuling zur Einsatzleiterin, weil sie Hotrena-Taak schwer beeindrucken konnte. Das Ende von Kapitel 6, als sich Aveline angeregt mit Zorith-Kaan unterhielt, nachdem sie kurz zuvor fast gestorben wäre, bescherte mir den nächsten Uff-Moment. Die Spezialisten der Nacht zogen durch ihre Missionen wie eine Gruppe Zocker in einem Online-Videospiel. Vom breitschultrigen Dickschädel, der alle Gegner auf sich zog, über den Vernichtung bringenden Schadenausteiler bis hin zum Heiler, der sich fast liebevoll um die ehemalige terranische Umbrakinetin kümmerte. Alles was einen erfolgreichen Einsatz verspricht, war mit an Bord. Von taktischer Seite aus zolle ich meinen Höchstrespekt. Nicht nur an Hotrena-Taak, sondern auch an die Autorin, die alle militärisch taktischen Manöver, mit der Präzision einer erfahrenen NEOristin, treffsicher auf Zelluloid bannen konnte.

Wieder ein Irrweg. Uff! Zur Romanmitte hin simulierte Hotrena-Taak eine Konfrontation zwischen Perry und Aveline, den sogenannten Nulltest. Ich dachte kurzzeitig, dass das vermeintliche Romanfinale nun schon eine Auflösung gefunden hätte. Weit gefehlt. Tarnen und täuschen in hessischer Drecksack-Version (Badesalz lässt grüßen). Kriegsarchon Raskor-Maguul erklärt dem Oberbefehlshaber des Konzils den Quasi-Austritt aus dem Bündnis. Ich lese immer Nazgul und frage mich, ob der Name eine Anlehnung an die Ringgeister aus Herr der Ringe ist. Die Laren lehnen sich mit ihrer Kriegserklärung weit aus dem Fenster. Überheblichkeit und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Schön auch, dass die Ereignisse auf der MAGELLAN nochmal Verwendung fanden. Weniger schön, aber superspannend, auf welche brutale Art und Weise die Geschichte mit einem toten Hypton endete. Nächstes Uff.

Ein denkwürdiger Einsatz führte die SdN auf einen Planeten mit beschleunigtem Flora-Wachstum. Eine Szene zum Genießen war es für mich, als Aveline an einem Teich sitzend dabei zuschauen konnte, wie eine Pflanze im Zeitraffer erblühte. Das sind für mich die stillen Momente, die einen Toproman ausmachen. Das Spiel mit dem richtigen Pacing will gelernt sein und fand einmal mehr seine Meisterin. Ein stilistisches Kleinod. So ruhig wie traurig, wenn man bedenkt, dass Aveline zuvor böse versagt hatte. Eine Szene wie aus dem Videospiel (The Elders Scrolls V – Skyrim) . Nichts genieße ich mehr, als in Himmelsrand einfach nur vor meinem Eigenheim zu sitzen und die Natur zu genießen. Aber dafür war gedanklich keine Zeit. Denn Aveline wird erneut in eine simulierte Schlacht geworfen und bekommt eine neue Chance, den Nulltest zu bestehen. Als ihr das schließlich gelang, ereignete sich eine fast schon intime Szene zwischen Hotrena-Taak und Aveline. Meine einzige Hoffnung auf ein gutes Ende bestand mittlerweile darin, dass Gucky seine Freundin noch irgendwie stoppen könnte. Ich machte mir viele Gedanken zwischen den Zeilen und mir kribbelten die Finger vor lauter Anspannung.

Eine geschenkte Halskette kann manchmal Wunder bewirken. Ich hatte mich schon gefragt, wann dieses Signum noch mal relevant werden würde und sah mich nicht getäuscht, dass es den finalen Kampf entschied. Sehr coole Action am Ende. Auch wenn wir vermutlich bei NEO nie wieder in den Genuss ausgiebiger Raumkämpfe kommen werden, hat Lucy Guth nun auch ihr Geschick in bodenständigen, taktischen Gefechten, bewiesen. Ende guth, alles gut? Aveline verlor ihren Geliebten, hat sich aber selbst gefunden. So gesehen kann man nicht von einem Happy End sprechen. Zumindest einem versöhnlichen Schlusspunkt. Aveline und Gucky scherzen wieder gemeinsam. Hach! Kann ich mit leben!

Auf Metaebene möchte ich abschließend noch ein paar Worte zum Lektorat verlieren. Häufig kritisiert und nur selten gelobt, mag den Perfektionisten ein winziger Fehler in Kapitel 4 dennoch wurmen. Aber dabei blieb es dann auch. Eine fast perfekte Leistung. Ich wende mich voller Respekt an Dieter Schmidt, der Woche für Woche einen der undankbarsten Jobs der Branche, hinsichtlich positivem Feedback, ausüben darf. Eine Frage stellt sich mir abschließend noch. Wie funktioniert eigentlich ein Parapressor? Aveline konnte sich ja davon überzeugen, dass ein Mitglied ihres Teams Einfluss via Fernbedienung darauf nehmen konnte. Hotrena-Taak besaß ebenfalls ein solches Gerät, bevor es zerstört wurde. Was aber ist mit dem unfreiwilligen Upgrade von Gucky während seiner Abwesenheit passiert? Die Trennung von Raum und Zeit schien keinerlei Auswirkung auf die Funktionen des Teufelsdingens zu haben. Hat der Pressor seine eigene KI? Entscheidet er selbst, wann der Träger Schmerzen verabreicht bekommt? Macht für mich sonst wenig Sinn, wenn Gucky selbst dann mit Schmerzen bedacht wurde, als er sich weit weg von den SdN befand. Da scheint mir ein kleines Logikproblem zu existieren.

Zitate des Romans

Aus guten Gründen bleibt es diese Woche nicht bei einem einzigen Zitat. Der Roman war eine Wunderkiste voller schöner oder denkwürdiger Momente. Eine Auswahl folgt hier:

„Manche Verletzungen überleben selbst Unsterbliche nicht, Perry Rhodan!“

Bäääm! Trotz aller begründeten Zweifel ein krasser Cliffhanger, der mich diesen Roman nicht mehr zur Seite legen ließ…

Und weil Lucy so gut in Form war und ich mich nicht auf ein Zitat des Romans herunterbrechen lassen will…. Nehmt das ihr braven Rezi-Leser!

Ich fühle mich wie ein pawlowscher Hund!

So traurig die Situation eigentlich auch ist, ich hab mich weggeschmissen vor lachen. Sorry Gucky!

Zwangspause fünf Minuten. Selten so gelacht in letzter Zeit. Ein Mausbiber, der sich wie ein Hund fühlt! Kannste dir nicht ausdenken! NEO macht mir in doppelter Hinsicht wieder viel Freude!

Ich gehöre mittlerweile zu ihnen…

Aveline wird klar, dass sie ihre „Familie“ gefunden hat

Eine fast schon melancholische Stimmung ergriff von mir Besitz, als Aveline am Ende von Kapitel 6 einen ergreifenden Dialog mit ihrem neuen Vertrauten führte. Einerseits wartet am Ende des Larengranulons ein pelziger Freund auf sie, dessen Reaktion auf die veränderte Situation wohl kaum positiv ausfallen wird. Zum anderen freue ich mich natürlich, dass die Umbrakinetin endlich ihre Erfüllung gefunden zu haben scheint. Nur, um ein paar Dutzend Seiten vom Gegenteil überzeugt zu werden. Denn:

Du bist wahrhaft zu einer Spezialistin geworden. Von einer Spezialistin der Nacht zu einer Spezialistin deines eigenen Lebens. Das kann nicht jeder von sich behaupten!

Thora lässt Herzen schmelzen

Der perfekte Schlusspunkt und ein herzliches „Willkommen zurück“ von Thora an Aveline. Schöner kann man es nicht ausdrücken.

Fazit und Wertung

Three in a row! So sagt man im Basketball, wenn eine Mannschaft einen Lauf hat und drei Spiele in Folge gewinnen konnte. NEO macht mir enorm viel Spaß zur Zeit, weil an den richtigen Stellschrauben gedreht wurde. Weltenbauministerin Lucy Guth setzte, mit ihrer wunderschön tiefgründigen, abwechslungsreichen und vor allem emotional packenden Agentengeschichte, ein Uff nach dem anderen. Vom Cliffhanger im Prolog über die liebevoll skizzierte Vorstellung der elf Spezialisten bis hin zum grandiosen Showdown. Alles wirkte formvollendet durchdacht, den überflüssigen Deus-Ex-Moment mit dem Rebellenführer mal ausgeklammert. Im Regelfall finde ich ein einziges Zitat, das für mich DEN einen Moment fest hält, der mich in dieser Hinsicht begeistern konnte. Diese Woche habe ich mich nicht festlegen können und wollen, so viele potentielle Anwärter gab es. Neben der nervenaufreibenden Hochspannung hatte ich kaum Zeit für Nebentätigkeiten. Das war bei NEO lange nicht mehr der Fall. It’s a wrap! Vielen Dank liebe Lucy für die vielen Zeilen zwischen den Zeilen, die mir viel Lesefreude bereitet haben. Fünf von fünf aufstrebende Spezialisten schicke ich gerne zur Unterstützung nach Gelnhausen.

Review: Perry Rhodan NEO 367 – Die Spezialisten der Nacht
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