Ein wenig verspätet folgt hier meine Besprechung des fünften Teils der Galacto City Storys. Ein Trip nach Leer und eine hinterhältige Erkältung haben mich ein wenig ins Hintertreffen kommen lassen. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Wer sich durch den Titel der Geschichte an einen ähnlich klingenden Film aus dem Jahr 1999 oder die zugrundeliegende Erzählung von Isaac Asimov erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Ben Calvin Hary stellt diesen Bezug in seinem Roman sogar explizit her. Und das zurecht, denn alles dreht sich um Computer und Roboter. Für das Folgende gilt wie immer die Warnung: VORSICHT SPOILER!
Nicht alles glänzt.
»Der 200-Tage-Mann« verändert die in den vorangegangenen Geschichten etablierte Sichtweise auf Galacto City. Zwar reist auch hier die Hauptfigur Stephen Door mit wilden Träumen im Kopf in die Wüste Gobi, muss jedoch feststellen, dass er nicht so willkommen ist, wie er gedacht hat. Die Einreise gestaltet sich kompliziert und bürokratisch, er bekommt nur einen vorläufigen Aufenthaltsstatus und auch die Willkommenskultur ist deutlich abgekühlt.
Es stellt sich nun die Frage, hat sich Galacto City so stark verändert oder ist es schlicht Stephens Perspektive, aus der diese Eindrücke geschildert werden?
»Die Friedensforscherin« und »Endstation Venus« spielen zumindest teilweise im Jahr 1974. Dort ist die Einreise in das Gebiet der Dritten Macht relativ unproblematisch möglich und die Neuankömmlinge werden mit allem Notwendigem versorgt. Aber es ist durchaus denkbar, dass binnen Jahresfrist der Zustrom an Einwanderungswilligen stärker reguliert wird, um die Integration der Neuankömmlinge beherrschbar zu machen. Die sicherlich vorhandenen verstärkten Spionageaktivitäten erfordern zusätzliche und striktere Sicherheitsmaßnahmen.
Möglicherweise ist es aber auch dem Empfinden der Hauptfiguren geschuldet. Wo für den einen gefühlt alle Türen offenstehen, sieht der andere zunächst die Türschwelle, die er überspringen muss.
Aber wie auch immer. Nach dem vierten Roman, in dem Glanz und Weltoffenheit von Galacto City gerühmt wurden, dachte ich tatsächlich: Jetzt ist aber wieder gut, wir haben es begriffen, dass dort das moderne Utopia entsteht. Die Darstellung der nicht ganz so funkelnden Seiten der neuen Stadt empfinde ich daher als sehr erfrischend.
Stephen Door jedenfalls muss leider lernen, dass dies tatsächlich nicht der Ort ist, an dem die Straßen mit Positroniken gepflastert sind. Diese sind sein Antrieb für seine Reise nach Galacto City. Stephen ist Informatiker und daher üben die neuen technischen Möglichkeiten eine unwiderstehliche Anziehung auf ihn aus. Und obwohl sich Crest und eine seiner Mitarbeiterinnen für ihn einsetzen, arbeitet er zunächst nur an Positronikelementen für den Hausgebrauch.
Der Wunsch, an den neuen Rechnern herumzubasteln, ist so übermächtig, dass er sich bei erster Gelegenheit eine vermeintlich unbrauchbare Positronik der Fantan-Leute unter den Nagel reißt und mit einem Roboter verkabelt. Das geht jedoch fürchterlich schief, denn dieser namensgebende 200 Tage-Mann droht große Schäden in Galacto City anzurichten. Selbstüberschätzung und blinde Manie haben dazu geführt, dass in der Fantan-Positronik vorhandene Schadprogramme aktiv werden und die Computersysteme der Stadt befallen.
Für Stephen bedeutet das kein Happy End. Er muss eine Strafe absitzen und sein vorläufiger Einwohnerstatus wird nicht verlängert. Er kehrt zurück in die USA und lebt dort sein Leben. Die Geschichte endet im September des fiktiven Jahres 2021 aber dann doch mit einem kleinen Hoffnungsschimmer.
Viele nette Facetten.
Die Geschichte ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Den Kontrast in der Stimmung gegenüber den ersten vier Romanen habe ich schon erwähnt. Es ist eben nicht alles Gold was glänzt und eine immer nur strahlende Weiße Stadt wäre langweilig und nicht glaubwürdig. Der eine oder andere Schatten tut da gut und Ben Calvin Hary gelingt der Bau dieses Teils der schönen, neuen Welt sehr gut.
Stephen Doors Antrieb ist seine Leidenschaft für Computer, der er geradezu blind und ohne viel nachzudenken folgt. Diesen prägenden Charakterzug arbeitet Hary hervorragend aus. Seine Figur stürzt sich kopfüber ins Abenteuer und reist mehr oder weniger ohne Plan in Perry Rhodans neuen Staat. Er ist ein anderer Menschenschlag als Louanne Lefebre oder Olga Ilmenova, die strukturiert und mit klar definiertem Ziel ihre Einreise planten. Schon bei der Ankunft wird Stephen nur mit Glück nicht abgewiesen, weil ihn eine junge Frau unter ihre Fittiche nimmt. Später klaut er im Affekt eine Positronik und selbst beim Sex mit seiner Freundin denkt er an seine Basteleien. Man spürt seine Manie geradezu.
Stephens Gedankenwelt wird auch dadurch plastisch, dass Hary mit informatikspezifischen Fachbegriffen um sich wirft. Als nur bedingt programmieraffiner Mensch glaube ich ihm das einfach alles. In jedem Falle schafft er damit eine glaubhafte Atmosphäre.
Garniert wird das Ganze mit vielen kleinen Ideen, die den (erfahrenen) Leser schmunzeln lassen. Da trifft man auf Fellmer, der mit dem Mutantenkorps zu tun haben soll, oder auf eine Gillian, die angehende Raumjägerpilotin ist. Über das Wiedersehen mit letzterer habe ich mich sehr gefreut, weil ich die Figur bei Perry Rhodan WEGA sehr mochte. Es gibt popkulturelle Anspielungen (Tolkien) und auch reale Personen erhalten ihren Auftritt (Billeter).
Die mittlerweile bekannten Verknüpfungen innerhalb der Miniminiserie, wie die Nennung bereits bekannter Lokalitäten oder Figuren, geben Anbindung zu den anderen Heften.
Und so insgesamt?
Insgesamt hat mir der Roman sehr gut gefallen, er hat mir viel Spaß gemacht. Er war plastisch, es ist was passiert, was will man mehr? Daher kann ich Ben Calvin Hary leider nicht die erbetene harte Kritik angedeihen lassen. Damit er aber nicht zu enttäuscht ist, hole ich doch noch einen Makel hervor. Denn an einer Stelle hat sich mein innerer Berufs-Monk gekrümmt, als von »Patentbriefen« die Rede war. Das würde man nicht so bezeichnen. Aber das war es dann auch schon.
Wenn dieser Text erscheint, dann ist Wim Vandemaans »Anschlag auf Galacto City« bereits veröffentlicht und es wird Zeit für die letzte Besprechung im Rahmen der kleinen GC-Reihe.
Schade, möchte ich sagen. Ich könnte gerne noch mehr aus dieser Anfangszeit des fiktiven Raumfahrtzeitalters lesen.
Das große “Finale” der Galacto City wird hier besprochen.
Ich warte bis die Romane in gedruckter Version verfügbar sind. Ich lese keine E Bocks.
Hallo Dietmar,
die Flapsigkeit sind wir von dir ja gar nicht gewohnt ☺️🍻
Um aber direkten Bezug auf deinen Kommentar zu nehmen:
Für die gedruckte Ausgabe wirst dich wohl noch gedulden müssen. Die Serie soll als Print on Demand im Spätherbst erscheinen
https://perry-rhodan.net/aktuelles/news/perry-rhodan-galacto-city-beginnt-im-september
Bäh.
Och Dietmar… So “Altleserlich” kenn ich Dich gar nicht, Passt nicht zu Dir. Sorry. Du warst doch auch mal Abteilung “Leben und Leben lassen” – woher denn jetzt der Sinneswandel?
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