Geradezu ein Vielerlei

Die Autorin Julie Constantin hat die Anthologie »Das mysteriöse Sammelsurium« veröffentlicht. Und der Titel ist treffend gewählt. Es ist ein Sammelsurium von Kurzgeschichten unterschiedlichster Färbung. Steampunk, Fantasy, ein bisschen Horror, da dürfte jeder thematisch gut bedient werden.

Das Buch hat einen Umfang von 178 Seiten und enthält 13 Texte, wobei der letzte keine Geschichte darstellt, sonder eher ein paar Überlegungen der Autorin einfängt.
Das Cover finde ich sehr ansprechend. Es hat die Anmutung eines Zauberbuchs und bildet quasi seinerseits ein Sammelsurium. Es ist aus den Vignetten gestaltet, die sich im Buch bei den jeweiligen Storys wiederfinden. Das macht sich auch im Bücherregal gut.

Ich möchte nicht auf jede einzelne Geschichte tiefer eingehen, daher im Folgenden ledigliche ein paar Gedanken zu jedem Text.

Die Geschichten

Das neue Leben der Louise Flynn
Ein Steampunkszenario mit Fantasyeinschlägen. Die komplexe Welt ist gut gebaut und wird in der Geschichte kompakt dargestellt. Wie es sich für eine Kurzgeschichte gehört, haben wir einen offenen Anfang und ein offenes Ende. Eigentlich sind es sogar zwei Geschichten, nämlich der Kalamar-Konflikt und tote Ehefrau, wodurch es zu einem doppelt offenen Ende kommt.

Geheimnisse der Residenz
Eine Zeitreisestory kombiniert mit Liebesstory zwischen 18 Jahrhundert und Gegenwart. Man errät früh die Pointe, tut dem aber keinen Abbruch. Ich fand die Idee sehr schön.

Wasser & Tod
Ein alter Mann provoziert den Wassergott eines Baches. Ohnehin schon gruselig angelegt, wird daraus im Kontext der Ahr-Flut eine noch gespenstischere Geschichte. Legt sich nicht auch der Mensch gerade mit Mächten an, die er möglicherweise nicht kontrollieren kann? Tolle Idee, deshalb in meinen Top 3.

Die Baba Yaga
Was passiert mit GöttInnen, an die man nicht mehr glaubt? Gut, kein allzu neues Thema, aber in einem Kontext umgesetzt, der mir bislang nicht untergekommen ist.

Mein Gespräch mit dem Tod
Die zweite Geschichte, die es bei mir aufs Treppchen geschafft hat. Der Tod hat hier ungewöhnlicherweise eine sehr lebensbejahende Einstellung. Witzige Geschichte. Am Ende fast etwas zu schnell vorbei.

Ein heißer Tag
Während die Protagonistin versucht, eine Spinne in ihrer Speisekammer abzumurksen, überrennen mutierte Riesenspinnen das Land. Coole Idee und sehr schön aufgebaut.

Die Kekshexe
Sie hadert mit ihrem Schicksal und löst einen Mordfall. Ein bisschen Märchen, ein bisschen Krimi, daraus wurde eine witzige Geschichte gestrickt. Toller Weltenbau vor allem, aber wieder zwei Geschichten in einer.

Elektro-Schock
Der Protagonist wird digital gestalkt von jemandem, der kürzlich verstorben ist und den Protagonisten dafür verantwortlich macht. Ein interessanter Gedankengang wird hier verarbeitet, den zu verraten die Pointe vorwegnähme. Aber man fühlt sich etwas mulmig dabei.

Homo altus maris
Die Meermenschen in dieser Geschichte haben mit Arielle eher wenig gemein. Wie mag man sich erst fühlen, wenn man von ihnen gebissen wird? Nummer 3 auf dem Siegerpodest, ebenfalls wegen der tollen Idee, die der Geschichte zu Grunde liegt.

Nur das beste
Eine junge Maid flieht vor ihrem Verlobten und trifft auf einen Drachen. Die Konfrontation verläuft nicht so, wie man sich das vorstellen mag. Hier ist mal richtige Fantasy am Start. Die Kampfszene hätte etwas weniger knapp sein dürfen.

Als der Schnee sich rot färbte
Ein etwas anderer Blick auf Rotkäppchen. Ist es jetzt Märchen, Horror oder Fantasy? Entscheidet selbst.

Eine ganz persönliche Hölle
Ein Geist erforscht seinen eigenen Tod. Ein höchst unsympathischer Protagonist, der seinen ganz eigene Realität zurechtzimmert. Die Story ist cool gemacht, weshalb ich in der Retrospektive mein Siegerpodest auf vier Plätze erweitere.

Unter derm Strich

Die Geschichten lasen sich zügig und ich hatte viel Spaß dabei. Man kann sie teilweise einfach zwischendurch konsumieren. An der einen oder anderen Stelle hätte man meiner Ansicht nach am Aufbau noch feilen können, etwa in Bezug auf die mehrfach angesprochene Zwei-in-eins-Thematik, aber das fällt für mich nicht allzu sehr ins Gewicht. Mir bleibt das Buch positiv in Erinnerung. Die Geschichten sind thematisch sehr abwechslungsreich – ein Sammelsurium eben – und decken damit einen große Bandbreite der Phantastik ab. Anthologien mit Beiträgen unterschiedlicher Autoren haben es gewöhnlich an sich, dass den Lesenden einzelne Geschichten sehr gut gefallen, weil sie deren Geschmack treffen. Andere fallen umgekehrt durchs Raster. Wie mag das bei einer Geschichtensammlung einer Autorin allein sein? Es war keine Story dabei, die mir überhaupt nicht gefallen hat, obwohl sie von der Genrefärbung her so unterschiedlich sind. Gleichzeitig kommt wegen der guten Mixtur auch keine Langeweile auf. Die Autorin hat ihre Werke für mein persönliches Geschmacksempfinden offenbar sehr gut zusammengestellt.
Wer Spaß an etwas ungewöhnlichen phantastischen Geschichten hat, dem kann dieses Buch ohne Zögern empfohlen werden.

Das mysteriöse Sammelsurium
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