Handlung

Rückblende in die Vergangenheit: Bereits als fünfjähriger Junge ist Eric Weidenburn ein aufstrebendes Wissenschaftstalent. Bei einer Kreuzfahrt zu den Sehenswürdigkeiten Andrumidas, wird die Raumjacht WEGRO von Piraten angegriffen. Sein Vater wird von den Gesetzlosen ermordet und die Mutter vor seinen Augen erschossen. Taramitra Sin, die Piratenanführerin, sperrt das achtjährige Mädchen Ivien Hatt zum mittlerweile neun Jahre jungen Eric Weidenburn in dessen Gefängniszelle auf der MUUNIA. Die beiden Kinder werden im Laufe der Zeit immer mehr mit Bordaufgaben betraut. Eric gibt sich unterwürfig kindlich und nutzt dadurch entstehende Freiräume zur Ausspionierung der Piratenaktivitäten, die er durch seine technischen Fähigkeiten aus der Positronik auslesen kann. Dabei erfährt er von einem Duplikator aus den Beständen der Meister der Insel, der das Machtgefüge der Galaxien erschüttern könnte. Da Taramitra Sin angeblich gleich fünf dieser Geräte schmuggeln möchte, schickt Eric die Pläne anonym an die Behörden auf Carius Satu. Doch der Verräter wird selbst verraten und tappt in die Falle einer ehemaligen Privatdienerin seiner Eltern, Min Aluro. Beim anschließenden Handgemenge überlebt Eric nur, weil Min Aluro ihre Meinung ändert und Taramitra Sin erschießt. Ivi stirbt durch einen Querschläger aus der Waffe der Piratenanführerin. Die Piratenbande wird verhaftet, Eric kehrt in seine Heimat Haitiri zurück und erbt das gesamte Vermögen seiner Eltern. Außerdem übergibt ihm der Familienanwalt Alot Naduli einen versiegelten Umschlag mit dem Vermächtnis seines Vaters. Eric wurde als Baby adoptiert und den Weidenburns war die Identität seiner angeblichen, leiblichen Eltern bekannt: Perry Rhodan und Thora da Zoltral. Allerdings waren diese keine Thetiser und Eric durchschaut die Farce schnell. Alot bestätigt seine Vermutungen postwendend. Er baut sich mit seinem Unternehmen Weidenburn Andru Opt (WAO) ein Imperium auf und wird zum einflussreichsten Thetiser in ganz Andrumida. Er kann es sich leisten, umfangreiche Nachforschungen zu seinen leiblichen Eltern anzustellen. Eric lässt aus MdI-Technik die STAC bauen und fliegt in die Milchstraße, um seine wahren Eltern zu finden. Alot Naduli verweigert das betreten von Meistertechnik und stirbt an Altersschwäche, kurz vor der Abreise von Eric Weidenburn. In der Lokalen Blase des SOL-Systems erforscht er auf der IVI die terranische Geschichte und erfährt von Perry Rhodan, der zu der Zeit noch hirnlos im Koma auf der SOL liegt. Weidenburn kauft Anteile der General Cosmic Company und mischt sich in die Politik ein, indem er aus dem Untergrund mystische Zitate auf die Presse los lässt. Als seine STAC aus M13 interessante Werte übermittelt bekommt, macht sich Eric auf den Weg ins Scaith-System, um die interessante Spur weiter zu verfolgen.

Gegenwartshandlung: Mit der IVI landen der STAC-Kommandant Kukolies und Weidenburn neben einer verlassenen arkonidischen Station auf Scaithra. Zwei Wissenschaftler werden nach Probenentnahmen im Dschungel vermisst und nackt und dessorientiert im Dschungel aufgelesen. Bei Untersuchungen im Labor kann Weidenburn keine Unregelmäßigkeiten im Gesundheitsbild feststellen, als die beiden Patienten plötzlich erwachen und unerwartet aggressiv reagieren. Einer der Angreifer stirbt und Kukolies erhöht die Sicherheitsmaßnahmen. Da bricht der Funkkontakt zur STAC im Orbit unversehens ab. Über eine Audiolog-Datei, die er in den Tiefen der aufgegebenen Station findet, erfährt Eric Weidenburn von einer Amöbophagenplage. Die Parasiten wurden ursprünglich als Kriegswaffe gegen die Maahks gezüchtet und passen charakteristisch zu den Aggressionen der befallenen Wissenschaftler. Zwei mutierte Amöbophagenopfer greifen an der Oberfläche die Gruppe an. Kommandant Kukolies aktiviert die Selbstzerstörung der Station und opfert sich selbst. Eric Weidenburn bleibt nach der Explosion als einziger Missionsteilnehmer am Leben. Ein Raumschiff der Gon-Mekara landet und Eric lernt Maylpancer kennen. Er erfährt, dass auch die Besatzung der STAC an den Amöbophagenfolgen gestorben ist. Weidenburn schließt mit Leticron ein Abkommen zur künftigen Zusammenarbeit und setzt seine STAC auf Arkon III instand, als er von der geplanten Hinrichtung Perry Rhodans erfährt…

Meinung

Das Cover hat mich komplett überrascht. Weidenburn habe ich mir optisch als älteren Mann vorgestellt, nach seinen weisen Romanzitaten in den letzten Bänden. Nicht als blutjungen Hobbitverschnitt. Der Vergleich passt auch größentechnisch, nicht nur wegen seinem hübschen Babyface. Diesen Vergleich wird man Weidenburn nicht absprechen können, da sinniert offensichtlich ein Cousin von Frodo Beutlin auf dem Cover vor sich hin. Im Hintergrund geht es dann eher in die Richtung 70er Jahre mit einem Kunstwerk im Stil von Hamilton. Weichzeichnerei im Star Wars Look. Die Mischung gefällt mir gut.

Vor allem der Rückblick in die aufwühlende Kindheit von Weidenburn wusste mich riesig zu begeistern. Ein fünfjähriger Rotzlöffel löst die schwersten galaktischen Rätsel im Alleingang und findet -natürlich- nur kopftätschelnde Erwachsene, die ihn nicht ernst nehmen. Zudem lernt er früh kennen, was es heißt, geliebte Menschen zu verlieren. Umso beeindruckender ist, was er aus der schier ausweglosen Situation macht. Das Kammerspiel auf dem Piratenraumer MUUNIA gefiel mir außerordentlich gut, da der Autor die kleine Welt sehr behutsam aufbaut und die Rachestory subtil unterschwellig mit kleinen Geschichten nährt.

Der Werdegang dieses Genies ist ein ebensolches Wunder, wie die Techniksensation der STAC. Dieser Part der Geschichte hatte mich voll für sich eingenommen, nachdem die Biographie erst einmal sehr verwirrend gestartet war. Durch die zahlreichen Zeitsprünge dauerte es einige Zeit, bis ich in die richtige Lesestimmung kommen konnte und die Handlungsebenen richtig eingeordnet bekam. Aber von da an war es purer Lesespaß. Rüdiger Schäfer ist mittlerweile der Chefbiograph bei NEO. Wenn sein Name unter einer Biographie geschrieben steht, freue ich mich schon Wochen vorher auf den Erscheinungstermin seines Werkes. Und wurde bisher nie enttäuscht. Ich fand den Charakter Weidenburn sogar noch eine Nuance besser dargestellt, als die Kartanin Dao-Lin-H’ay in der Odyssee-Staffel. Und das war schon eine formidable Story, meine Rezension fiel äußerst positiv aus (siehe NEO 284 Der Fluch der Kartanin).

Mit Weidenburn betritt eine einflussreiche Gestalt die galaktische NEO-Bühne. Aufgrund dessen Superemotionautenkräften wünscht man sich den Thetiser ganz sicher nicht als Gegenspieler. Seine Schüchternheit im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht hat mir das Grinsen ins Gesicht getrieben. Sein dissoziales Verhalten ist eine logische Folge seiner Genialität, Sarkasmus und Ironie sind ihm kaum geläufig und er bringt die Besatzung der STAC regelmäßig zur Weißglut. Der Fokus liegt im weiteren Staffelverlauf ganz klar auf Weidenburn und ich bin sehr gespannt, ob die Autoren es schaffen, seinen Einfluß nicht allzu übermächtig werden zu lassen. Wie in der vergangenen Epoche beispielsweise bei Iratio Hondro geschehen, der irgendwann völlig außer Kontrolle geraten ist. Aber wird Eric Weidenburn überhaupt als Antagonist auftreten oder vielleicht sogar überraschend Partei für die Guten ergreifen? Ich glaube, das hängt maßgeblich davon ab, wie er die Identitätsauflösung seiner wahren Eltern aufnimmt.

Um wen es sich bei Weidenburn tatsächlich handelt, sollte nämlich kein allzu großes Rätsel für den aufmerksamen Leser gewesen sein. Alter und Augen ließen mich schon auf den ersten Seiten aufhorchen und die Bestätigung kam im Verlauf der Geschichte. Aufgelöst wurde dieses Geheimnis zwar letztlich nicht, aber ich würde ein halbes Rinderviertelchen verspeisen, wenn ich da tatsächlich komplett falsch liegen sollte. In der Gegenwartserzählung waren die aggressiven Forscher auf Scaithra, ebenso wenig überraschend, von Amöbophagen befallen. Allerdings wird in der Audiodatei des Stationskommandanten eine wichtige Information gefunden: Die Amöbophagen wurden ursprünglich als Waffe gegen die Maahks gezüchtet, das ist harter Tobak und eine brandheiße Information! Auch Ivis Tod kam nicht unerwartet, da wohl nicht umsonst ein Schiff in der Gegenwart nach ihr benannt wurde. Wie die Amöbophagen schließlich an Bord der STAC gelangen konnten, wird leider nicht aufgeklärt. Diese kleinen und größeren Offensichtlichkeiten fielen aber lediglich in vernachlässigbarer Weise negativ ins Gewicht, denn sie scheinen teilweise mit purer Absicht so platziert worden zu sein.

Damit las sich das Buch nicht weniger spannend. Ganz im Gegenteil, ich konnte den Roman kaum aus den Händen legen. Der Fokus richtete sich ganz klar auf die Lebensgeschichte von Weidenburn. Und genau darum ging es schließlich auch. Am Ende laufen die beiden Zeitebenen harmonisch zusammen und die geheimnisvollen Zitate von Weidenburn und seine Rolle im terranischen Politikgeschehen wurden endlich befriedigend aufgelöst. Zum Glück, denn viel länger hätte ich diese Folter auch nicht mehr ausgehalten. Ich bin schließlich auch nur ein Ertruser, nicht nur auf das tägliche Kalorienziel bezogen 😉

Zitat des Romans

Vergib einem alten Mann seine Ungeduld. Und die Schärfe seiner Zunge. Sie ist alles, was sich noch wie früher bewegt.

alot naduli zu eric weidenburn

Der letzte Dialog zwischen dem Anwalt und seinem jungen “Ziehsohn” Eric Weidenburn ging, wie so einige Szenen im Roman, emotional an die Substanz. So in etwa muss sich Reginald Bull gefühlt haben, als seine geliebte Legacy den Zellaktivator abgelehnt hatte. Alot verweigert das Betreten der STAC, weil sie MdI-Technik enthält und er damit aus ethischen Gründen auf eine lebensverlängernde Behandlung verzichtet. Kurz danach stirbt der sympathische alte Thetiser. Uff… wie so vieles. Einfach nur uff.

Fazit und Wertung

Tolle Atmosphäre, herausragend guter Weltenbau und eine superspannende, knallhart emotionale Biographie mit wunderbar tiefgründigen Charakteren.
Uff! In einem Wort zusammen gefasst, enthält diese Interjektion dennoch nur einen Bruchteil dessen, was mir beim lesen durch den Kopf ging. Der Roman ging endlos tief unter die Haut und unterstreicht einmal mehr den Zauber von NEO, der sich in solchen schriftstellerischen Perlen zu erkennen gibt. Trotz einiger Vorhersehbarkeiten, die manchen Überraschungsmoment vermissen ließen, aber auch ziemlich absichtlich so offensichtlich platziert wirkten. Dieser Weidenburn ist eine riesige Bereicherung fürs NEOversum, vor allem bin ich gespannt auf die Familienzusammenführung und wie das Exposé dies verpackt. Beiläufig wird eine Hammerneuigkeit verkündet: Die Amöbophagen waren ursprünglich eine Kriegswaffe gegen die Methans/Maahks und die Gon-Mekara profitierten rein zufällig von ihr. Das schlug ein wie eine Bombe! Rüdiger Schäfer liefert, nach seiner tollen Biographie der Kartanin in der letzten Staffel, heuer wieder eine Bravourleistung ab. Nach den etwas verwirrenden ersten Seiten kam schnell Struktur in den Roman und ich genoß von da an jede Seite. Purer Lesegenuß. Mit einigen Uff-Momenten, Ruhe in Frieden Ivi. Ruhe in Frieden Alot. Rüdiger Schäfer hat den -mit Abstand- besten NEO der laufenden Staffel abgeliefert und ich platziere dieses Werk auch ganz weit oben in meinen All Time Favourites. Mein Freibeuterdaumen reckt sich steil in den Orbit von Scaithra. Mit einer großen Bitte ans Exposé: Eric Weidenburn muss bleiben! Dauerhaft! Der Charakter liefert massig Potential für ganz große Geschichten.

Review: Perry Rhodan NEO 294 – Weidenburn
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2 Gedanken zu „Review: Perry Rhodan NEO 294 – Weidenburn

  • 6. Januar 2023 um 23:51 Uhr
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    Lobet ihn oder lasst ihn ruhen! – Dies sage ich.

    … zu diesem Brett von Roman!

    Mein lieber Andy,

    hier möchte ich dir erst einmal Lob für diese großartige Rezi aussprechen! Definitiv dem Roman würdig!

    Was hat Rüdiger Schäfer da bitte abgeliefert?
    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich eure Reaktionen im Discord völlig falsch interpretiert habe und diesesmal aufgrund der ganzen „uffs“ die EA dem NEO vorzog. Asche auf mein Haupt. Denn das hier waren 160 Seiten Unterhaltung vom Feinsten! In nichtmal 2 Tagen habe ich den Roman durchgelesen und hätte gern noch einmal von vorn begonnen, wenn es die Zeit zugelassen hätte.
    Zugegeben, verwirrt war ich nach dem ersten Kapitel und den ganzen Zeitsprüngen. Da ging es mir wie dir.
    Und auch deine Kritik, wie die Amöbophagen doch plötzlich auf die STAC gelangt sein mochten, kann ich definitiv nachvollziehen.
    Aber ich stimme dir auch zu, wenn du sagst, es ist der Beste Roman der aktuellen Staffel. Vor 2 Rezis hab ich es schon einmal geschrieben, glaube ich: diese Staffel übertrifft sich selber von Roman zu Roman. Und dass, obwohl der Staffelauftakt die Messlatte ziemlich weit nach oben gesteckt hat!

    Ich befürchte, über diesen Roman, sollten wir demnächst noch einmal ausführlicher reden 😉

    Mach dir ein schönes Wochenende und bis bald! Wir hören und lesen uns!
    Ad astra
    Lukas

    Antwort
  • 19. Januar 2023 um 20:21 Uhr
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    Hallo Andy!
    Mir hat der Roman auch unfassbar gut gefallen. In meiner Vorstellung sind die Amöbophagen durch Besatzungsmitglieder auf die STAC geschleppt worden. Es sind doch zwischendurch irgendwelche Ausrüstungsgegenstände vom Schiff zur Station gebracht worden. Oder habe ich mir das nur ausgedacht?
    Ich hoffe, dass man mit Weidenburn keine Thomas Cardif Story macht. Die hatte mir nämlich nicht so gut gefallen. Ähnlich wie in der EA mit Cardif, wurde Weidenburn von seinen “berühmten” Eltern weggegeben (bzw. von seiner Mutter, Vatti wusste von nichts). Perry und Thora werden immer als Familienmenschen dargestellt, was aber auf Weidenburns Eltern nicht unbedingt zutrifft. Seine Eltern mit ihren doch recht unterschiedlichen Vergangenheiten, positiv wie negativ, und er selbst als hochbegabtes Genie mit massiven Defiziten im Zwischenmenschlichen – viel Zündstoff! Ich bin echt gespannt, was die Autoren daraus machen werden. Aber bitte kein Super-Antagonist!
    Ad Astra
    Mr. AtoZ

    Antwort

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