Es müssen ja nicht immer nur Raketenheftchen sein. Zwischen den Jahren habe ich »Die Apollo-Morde« von Chris Hadfield gelesen. Es handelt sich dabei um einen kontrafaktischen Roman, der im Jahr 1973 spielt und Ereignisse um die Apollo 18-Mission der NASA behandelt, die in unserer Welt nicht mehr stattgefunden hat. Ich fand ihn gut und daher möchte ich meine Eindrücke mit euch teilen.

ACHTUNG! Im Folgenden können sich Spuren von SPOILERN befinden!

Der ehemalige Testpilot Kaz, der bei einem Flugunfall ein Auge verloren hat und daher seine Raumfahrerträume begraben musste, wird in den Stab für die Apollo 18-Mission berufen. Dieser Mondflug soll zum ersten Mal eine militärische Komponente beinhalten. Hintergrund sind die Aktivitäten, die die Sowjetunion mit dem Rover »Lunochod« auf dem Mond und auf ihrer Raumstation »Almaz« entfaltet. Der Roman beschreibt zunächst die Vorbereitungen und das Training der amerikanischen Astronauten und wirft auch einen Blick auf die Gegenseite, wobei Leser schnell klar wird, dass diese Reise nicht völlig unproblematisch ablaufen wird. Die Russen verfolgen ihre eigenen Interessen, denn sie haben auf dem Mond eine spektakuläre Entdeckung gemacht, die sie durch die amerikanische Unternehmung gefährdet sehen.
Bereits im Vorfeld des Starts kommt es zu einem Todesfall und auch auf dem Weg zum Mond läuft nichts so wie geplant. Alle Beteiligten müssen sich plötzlich mit völlig veränderten Randbedingungen arrangieren.

Mir hat der Roman gut gefallen. Er ist unterhaltsam, spannend und dürfte vor allem raumfahrtinteressierte Menschen ansprechen. Der Autor ist ehemaliger Astronaut, und auch wenn seine aktive Zeit um die Jahrtausendwende war, dürfte die Darstellung der Technik und des Verhaltens der Raumfahrer sehr authentisch sein. Man bekommt viele Details gezeigt, mit denen man sich in das Astronautenleben einfühlen kann.
Der Detailreichtum ist aber auch der Punkt, der an anderer Stelle zum kleinen Nachteil wird. Es werden sehr oft Einzelheiten geschildert, die zwar ein sehr vollständiges Bild der Szenerie schaffen, aber auch die Handlung bremsen. Das hat zu Folge, dass sich die Lektüre immer mal wieder ein wenig zieht. Vermutlich hätte man den Roman locker um 20 Prozent kürzen können, ohne dass er daran verloren hätte. Aber dieses Manko fiel für mich eher klein aus, ich hatte nie das Bedürfnis, das Buch aus der Hand zu legen oder Seiten zu überblättern, weil es zu langweilig war.

Da sowohl die amerikanische als auch die russische Perspektive geschildert werden, hat der Leser relativ früh einen Überblick über die Gesamtkonstellation. Der Reiz des Romans liegt also weniger in einem Rätselplot, vielmehr ist es spannend zu verfolgen, wie die einzelnen Figuren mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Wissen umgehen.
Dabei agieren alle Parteien und Figuren nachvollziehbar und aus ihrer Perspektive plausibel. Sowohl die USA als auch die Sowjetunion haben ihre Interessen und politische Agenda, die als Grundlage für ihr Handeln dienen. Erfrischend finde ich, dass dabei keine Schwarzweißmalerei betrieben wird. Beide Seiten sind davon überzeugt, dass ihre jeweiligen Maßnahmen im Sinne der Nation gerechtfertigt sind, und versuchen, das jeweilige Gegenüber auszutricksen und einen Vorteil für sich zu sichern. An mehreren Stellen wird von den Figuren sogar der Raumfahrttechnik der jeweiligen Rivalen Respekt gezollt.

In Bezug auf die Alternative History knüpft der Roman sehr gut an die reale Welt an. Neben der erfundenen Handlung um Apollo 18 liefert der Autor auch eine Einbettung historischer Fakten in die Story. Er findet beispielsweise eine zur Handlung passende Begründung, warum die Almaz-Raumstation der Sowjets in der realen Welt wenige Wochen nach Indienststellung abstürzte.

Neben der bereits benanten kleinteiligen Darstellung bin ich ein wenig über die Perspektiven gestolpert. Die Regel »Eine Perspektive pro Szene« wird eher als Empfehlung gehandhabt. Es hat mich Anfangs stark irritiert, wenn quasi von einer Zeile auf die andere die Perspektive wechselte. Irgendwann gewöhnte ich mich daran und es fühlte sich an wie die Schnitte in einem Film. Das war eine interessante Leseerfahrung, aber auf Dauer würde ich nicht damit warm werden, denn es stört dann doch immer wieder die Immersion.

Alles in allem sind die »Apollo-Morde« ein solider Thriller, der neben einer spannenden Handlung auch schöne Einblicke in das Leben der damaligen Astronauten und die Raumfahrttechnik bietet. Den Klappentext (zumindest der deutschen Ausgabe) kann man meiner Meinung nach einfach ignorieren, da er mit der eigentlichen Geschichte nur wenig zu tun hat.

Intrigen auf dem Mond!
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