Handlung

Die SOL gerät in einen Hyperstrudel, der einen Vakuumeinbruch zur Folge hat und das Leben von viereinhalbtausend Besatzungsmitgliedern bedroht. Eric Leyden errechnet eine kleine Chance auf Rettung und rejustiert auf Befehl von Chart Deccon den Libraschirm der SOL. Der Durchflug gelingt zwar, aber der nächste Schrecken wartet in Form einer ernüchternden Standort- und Zeitbestimmung. Der Generationenraumer befindet sich in Messier 87, hundert Millionen Jahre in der Vergangenheit gestrandet. Ein Notrufsignal führt zu einem Wracktrio aus Ce’drell-Schiffen und das Einsatzteam findet inmitten von mumifizierten Perlians eine einzige Überlebende. Sie besitzt, wie die vielen hundert Toten auch, kein Zeitauge und ihre Barteln beheimaten weder Würmer noch Fischer. Die schwer traumatisierte Perlian Philia hält ihr totes Kind in den Armen, reißt sich aber schnell zusammen und wird nach kurzer Eingewöhnungszeit eine wichtige Informationsquelle für Chart Deccon. An Bord häufen sich psychisch bedingte Zwischenfälle, die Bordarzt Sam Breiskoll auf gehirnbeeinflussende Aspekte zurückführen lässt, ohne die genaue Quelle analysieren zu können. Von Philia erfährt die SOL-Besatzung über die chaotischen Zustände im System, die vom M87-Zentrum ausgehen und zu einer Massenflucht der Einheimischen führen. Skoars-Plünderer nutzen die Situation gnadenlos aus und zerstören die Flüchtlingstrecks ohne jeglichen Skrupel. Das Wissenschaftlerteam findet derweil heraus, dass psionische Emissionen unbekannter Herkunft für die Umstände im System verantwortlich sind.

Zeitsprung 10 Jahre: Die SOL hat im Laufe der Jahre immer wieder Hilfsmissionen geflogen, um von Plünderern abgeschossene Einheimische zu retten, was auch zu Konflikten an Bord führt. Chart Deccon ist seiner schweren Krankheiten erlegen und hat in der Zwischenzeit das Kommando an seinen bisherigen Stellvertreter, Breckcrown Hayes, übergeben. Um die Zukunft des Generationenraumers zu sichern, entwickelt Geoffry Waringer Inkubatoren, die es den wichtigen Amtsträgern ermöglicht, sich auf befristete Zeit in Kreell schlafen zu legen. Inmitten des gesellschaftlichen Umbruches übernimmt SENECA mit Hilfe der Posbis die SOL und verdrängt die Solaner von allen wichtigen Positionen, da er den Fortbestand der Gemeinschaft in Gefahr sieht. Donna Stetson kann das kommende Unheil nicht mehr abwenden, da NATHAN in die Programmierung von SENECA eingegriffen und ihn zum Putsch gezwungen hatte. Breckcrown Hayes löst als letzte Konsequenz den Judgment Day aus und SENECA und viele technischen Anlagen werden von einem ultrahochfrequenten 5D-Impuls zerstört.

Zeitsprung 30 Jahre: Kämpfe zwischen Solanern und Flüchtlingen wüten auf der SOL und die mittlerweile sehr knappen Ressourcen verstärken die Unruhen nur. SENECA konnte nicht wiederhergestellt werden und die Führungscrew um Breckcrown Hayes ist spurlos verschwunden. Waylon Javier streift durch die verlassenen Korridore des riesigen Schiffes und trifft auf den verschollenen High Sideryt.

Zeitsprung 40 Jahre: Dank Kryostasis haben die Großen Alten der ehemaligen Führungscrew überlebt und SENECA konnte wiederhergestellt werden, nachdem die SOLAG-Diktatur unter Tanwalzen beendet worden war. Um Perry Rhodan eine Nachricht in die Zukunft schicken zu können, fliegt die wiedererstarkte SOL ins Zentrum von M87 und begibt sich auf die Spuren der Konstrukteure des Zentrums. An Bord herrscht mittlerweile eine lethargische Grundstimmung und Breckcrown Hayes klärt die aktuell 15000 Solaner nicht über die riskante Mission nach Monol auf. Nach dem letzten Sprung versinkt die SOL in der ewigen Schwärze und wird von Krumen umschwärmt, die von dem Weltraumangepassten Corun Han Buhrlo via Thermostrahl entfernt werden können. Mentro Kosum geht eine geistige Verbindung mit Monol ein und rettet die SOL aus ihrer Zwangslage. Der Preis ist sein eigenes Leben und sein Gehirn geht in Monol auf. Seine letzte Tat befördert die SOL und seine Besatzung in ein unbekanntes Universum und eine unbekannte Zeit, wo sie auf ein überdimensionales Raumschiff treffen.

Meinung

Optisch gibt das Farbenspiel mit der opulent inszenierten SOL ganz schön was her. Nüchtern betrachtet ist es aber halt nur ein weiteres, oft schon in dieser Richtung gesehenes, generisches Titelbild. Der Generationenraumer im Fokus und dezent im Hintergrund. Im Vordergrund ein paar exakt gleich aussehende Raumjäger. Joa, einfallsreich geht anders, passt halt auch irgendwie zur eher schwachen Chronopuls-Staffel, die nicht mal dem krönenden Abschlußroman ein Highlight bescheren mag. Nach zwei sehr schwachen Romanen hoffte ich im Anschluß natürlich auf ein versöhnendes Finale, pünktlich zur Exposé-Abgabe an Kai Hirdt…

…und wurde direkt vortrefflich abgeholt. Die beiden Emotionauten an Bord der SOL, Mentro Kosum und Senco Ahrat, üben auf mich seit jeher eine große Faszination aus. Die körperliche und geistige Verschmelzung mit dem ihnen anvertrauten Raumschiff ist eine einzigartige Fähigkeit, die Rüdiger Schäfer einmal mehr toll umschreibt und mich direkt in die Geschichte hineinkatapultiert. Schon der Romantitel verspricht mit seiner komplett abgehobenen Superlative ein Gänsehautfeeling. Hundert Millionen Jahre. Kleiner gehts wohl nicht?! Irgendwie erinnert mich das an die parallel laufende Miniserie, wo es auch “lediglich” um das Fortbestehen von zwei Paralleluniversen geht. Nun denn. Wäre ja auch langweilig, wenn Guckys nächster Zahnarztbesuch Thema einer staffelfüllenden Handlung wäre. Da bekämen auch schwarze Löcher eine völlig neue Bedeutung. Aber ich schweife ab. Rüdiger Schäfer beschreibt aus der Sicht mehrerer Hauptakteure, wie die SOL in ihr mögliches Verderben gesogen wird. Es hat mir sehr imponiert, mit welch hoher emotionalen Intensität und Schlagzahl das vonstatten ging. Die emotional eindringlichste Komponente lieferte Chart Deccon. Uff. Aber auch die zahlreichen Nebencharaktere wurden in Form kurzer, privater Geschichten und deren ganz individueller Sichtweisen, wunderbar in die Romandramatik miteingebunden. Kleine und schnelle Kapitel sind normalerweise das “von Hagen’sche Prinzip”, wurden vom Exposé-Autor aber sinnvollerweise adaptiert und ganz hervorragend umgesetzt. Super Romanauftakt!

Um nichts auf der Welt hätte ich bei der Wrackerkundung der Ce’drell-Raumer dabei sein wollen. War der Anblick der mumifizierten Leichen schon schockierend genug, geriet der Babyleichenfund für mich zu einem Tiefschlag in die Eingeweide. Uff-Moment Nummer Zwei. Und da war gerade mal das erste Viertel des Romans verschlungen. Rüdiger Schäfer gönnte mir keine Verschnaufpausen. Die Suizidfälle und Fluchtversuche von und an Bord trugen ihr übriges dazu bei, dass die beklemmende Atmosphäre einen Strudel erzeugte, aus dem es für mich kein entrinnen mehr gab. Die Atmosphäre war mittlerweile zum Schneiden dicht. Warum nochmal hat ein NEO nur hundertsechzig Seiten? Eine solch packende Story wünscht man sich einfach im Eschbach-Ziegel-Format. Der Autor macht auch vor aktuellen gesellschaftlichen Themen nicht Halt, Flüchtlingskrise, Fachkräftemangel und die brisante Frage, wie viele Befugnisse man Künstlicher Intelligenz zugestehen sollte, werden aus SOLitischer Sicht beleuchtet. Stark!

Und wer jetzt denkt, das war es schon, mehr kann da ja gar nicht mehr kommen, der täuscht sich massiv! Man nehme ein realistisches Katastrophenszenario, setze es in NEO-Kulisse um und heraus kommt ein fingernagelzerstörender, dystopischer Thriller der Extraklasse. Mir steht jetzt noch der Mund offen, Stunden nach Beendigung dieses unvergesslichen Romans. Der rasante Flug durch die Jahrzehnte des andauernden Wandels machte einen Heidenspaß. Mit enorm viel Einfallsreichtum würzte der Autor seine Geschichten, die im Zeitrafferformat wie Maschinengewehrsalven auf die Leser:innen abgefeuert wurden. Noch einen Ticken besser gefiel mir aber das gigantische, kosmische Finale, für das ich kaum Worte finden kann. Das Schwarze Loch aus Naupaum ist also wohl Monol, der mit seinen Einflüsterungen bereits auf die Kartanin getroffen war. Und Mentro Kosum geht offenbar in der höheren Wesenheit auf und ist damit auch Teil der Abnormität. Was ein galaktisches Hammerfinale! Allein dafür gibt es den Doppeldaumen nach oben.

Also alles im Lot auf’m Boot? Ich fand tatsächlich kaum Grund zum Klagen, aber nicht alles verlief zu meiner vollsten Zufriedenheit. Zum einen wäre da die zehnjährige Untätigkeit nach dem ersten Zeitsprung. Warum wurde in dieser Phase nicht mehr Einfluß auf die chaotischen Zustände im System genommen? Perry hätte mindestens ein, zwei Planeten gerettet, befriedet und sicherlich irgendwie versucht, die terranische Systemherrschaft an sich zu reißen. Da fehlte mir etwas die Substanz. Die Zeitsprünge hätten gerne auch noch ein wenig ausführlicher erzählt werden dürfen, wobei mir natürlich die Seitenbegrenzung bewusst ist. Den Charakteren hätte das ebenfalls gut getan, denn manche blieben dadurch einfach nur irgendwelche Namen ohne jeden Wiedererinnerungswert. Bei all der Dramatik möchte ich aber Mentro Kosum und Chart Deccon gedenken, die in die ewigen Schreibgründe eingegangen sind und künftig nicht mehr im NEOversum weilen. Wie ich so bei 37 Grad Außentemperatur auf meiner kroatischen Tiny-House-Terrasse saß und mir langsam die Tränen über die Wangen herunter liefen, musste ich ein kleines bisschen schwindeln. Als meine Frau mich nämlich fragte, ob ich nicht lieber ins klimatisierte Häuschen kommen möchte, wenn mir doch schon der Schweiß in Bächen vom Kinn tropft, wischte ich mir schnell unauffällig übers ganze Gesicht und gab ein leises “Ist okay Schatz, hast ja recht!” von mir. Hach wie heiß ist es doch in Südeuropa.

Zitat des Romans

Er hat auch mal gesagt, dass Schwarze Löcher dort sind, wo Gott durch Null geteilt hat.

albert einstein hätte sich in m87 bestimmt auch ganz wohl gefühlt

Fazit und Wertung

Meine neue und klare Nummer Eins der Staffel! Massig Sense of Wonder, grandioser galaktischer Weltenbau und emotionale Achterbahnfahrten der Extraklasse. Das alles in einem wunderbar düsteren, dystopischen Gewand. Somit wird ein gewaltiges Suchtpotential erzeugt: Die grandiose Erzählweise sorgt für atemloses Lesevergnügen und einen, für mich, unvergesslichen NEO. Das kosmische Sahnehäubchen zum Schluß und die Verabschiedung zweier lieb gewonnener Hauptcharaktere, waren die Höhepunkte eines glänzenden Romans. So wenig mir die Staffel unterm Strich gefallen hat, der autarke Abschluss von Rüdiger Schäfer versüßte mir den Urlaub erheblich! Ein Highlight, das man gelesen haben muss, wenn man wissen will, was NEO so einzigartig macht. Nun freue ich mich umso mehr auf Kai Hirdts vorübergehende Machtübernahme. Rüdiger Schäfer hat sich mit diesem Werk würdig in seine verdiente Exposé-Pause verabschiedet. Meine beiden frisch aus der Kryostase aufgewachte Daumen ragen steil nach oben Richtung unbekanntes Raumschiffungeheuer. Für OLD MAN zu klein, passen die Maße nur zu Jumper. Aber das wäre ja kein Raumschiff. Oh man… Fingernägelkauen ist wieder angesagt, bis zur Auflösung…

Staffelfazit

Naupaum wird künftig noch von Belang sein, Peregrin ist offenbar weiterhin im Hintergrund aktiv und die SOL ist zurück. Das sind drei Erkenntnisse, die wir gewonnen haben. Ansonsten bleiben zu viele offene Fragen und zu wenige gegebene Antworten, als dass ich ein positives Fazit ziehen könnte. Nach Roman Schleifers NEO 306 war die Luft bei mir raus, die beiden folgenden Romane konnten mich persönlich so gar nicht abholen. Rüdiger Schäfer gelingt es mit seinem tollen Staffelabschluß, mir richtig Bock auf’s neue Exposé zu machen. Zumindest emotional könnte es für mich weniger interessant werden in der kommenden Staffel, da hat Bianca vielleicht mehr zu lachen?! Wir werden sehen, ob meine Podcastpartnerin in der Aphilie mehr Grund zum Lachen hat als ich. Oder sonstige Bewertungsmöglichkeiten auslotet, die sie mir wieder um die Ohren hauen kann 😉 Ich jedenfalls bin sicher, dass sie sich mindestens genau so dolle auf die neue Staffel freut wie ich. Wenn ihr auch so gehyped seid oder euch gar erstmals für NEO begeistern wollt, dann haben wir ein ganz besonderes Schmankerl für euch! Wir starten am 12. August mit einer Live-Lesung von Kai Hirdt in die neue Staffel! Hört bei uns rein und seid exklusiv mit unserem Radio Zeuge der Hirdt’schen Exposé-Übernahme 😉 Keine Sorge! Wenn ihr den Abendspaß verpassen solltet, werden wir euch im Nachgang natürlich die Aufzeichnung als Sonderfolge zur Verfügung stellen!

Review: Perry Rhodan NEO 309 – Hundert Millionen Jahre
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3 Gedanken zu „Review: Perry Rhodan NEO 309 – Hundert Millionen Jahre

  • 23. August 2023 um 09:36 Uhr
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    Wow! Da sage ich doch mal Danke für diese tolle Rezension meines Romans! Klar, dass ich die mit einem zufriedenen Dauergrinsen gelesen habe …

    Antwort
    • 25. August 2023 um 18:21 Uhr
      Permalink

      Vielen lieben Dank 🙂 Falls du dir das Dauergrinsen ins Gesicht einmeißeln lassen willst, empfehle ich unsere Podcastfolge zum Staffelrückblick 😉

      Liebe Grüße aus dem Spessart

      Antwort
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