Handlung

Sid Gonzales alias Rodrigo de Vivar gelangt auf Umwegen nach Baikonur, um in der kasachischen Steppe seine Ausbildung zum Raumfahrer anzutreten. Mardam Saripov alias Juri wird bei seiner Anreise von Sid und seinem Taxifahrer am Wegesrand aufgelesen. Sid meldet ihn an der Kadettenschule an, die sie gemeinsam besuchen wollen. Direkt nach der Begrüßungszeremonie werden die jungen Raumkadetten zum Überlebenstraining in der Eiswüste ausgesetzt. Sid rettet Anna aus einer Felsspalte, in die sie beim Zeltaufbau gestürzt ist und kann sie leicht verletzt bergen. Zurück im Camp werden sie von Juri empfangen, dem ein Geniestreich gelungen ist, da er mit seiner Gruppe als erster zurück gelangen konnte. Auch bei den folgenden Ausbildungseinheiten glänzt der junge Kasache mit herausragenden Ergebnissen, während Sid seine Grenzen aufgezeigt bekommt. Gemeinsam mit Hollander besteht Sid die Übungen in einem Wasserbecken mit positiver Rückmeldung, allerdings haben sie dafür die Lerneinheit für die Zwischenprüfung sausen lassen. Das rächt sich während des Tests, aber Hollander kann erfolgreich eine Folie in den Raum schmuggeln, wodurch beide die Lösungen nur noch abschreiben müssen und mit Bravour bestehen. Ausgerechnet der Ferrone Chaktor, ein alter Bekannter von Sid, stößt als Ausbilder zur Kadettenprüfung hinzu und erkennt ihn sofort. Nach Darlegung seiner nachvollziehbaren Gründe für die ganze Scharade, versichert ihm Chaktor Stillschweigen in der Angelegenheit und Sid kann sich erleichtert auf die Grundlagenausbildung konzentrieren. Chaktor warnt Sid abschließend vor Hollander und seinen destruktiven Eigenschaften, was sein Freund durch die geschlossene Tür mithört und in einer Kaskade von Verwünschungen und rassistischen Beleidigungen gegenüber dem Ferronenvolk endet. Rasend vor Wut entschließt sich Maurice Hollander, Rache an Wrinkle zu nehmen und ihm einen Streich zu spielen, wozu er auch Sid und Juri überredet bekommt. Um Juri zu schützen, bricht Sid ein Versprechen und nutzt seine Mutantengabe. Es stellt sich heraus, dass Hollander die beiden Rekruten Sid und Juri benutzt hatte, um Major Rinkhel per Video massiv zu beleidigen. Da von Kollektivbestrafung abgesehen wird, findet der geplante Ausflug zu Terrania Orbital wie geplant statt. Dort holt Maurice Hollander sein Karma ein und alle zeigen ihm die kalte Schulter, woraufhin er die Raketentriebwerke des Weltraumfahrstuhls zündet und alle in Lebensgefahr bringt. Major Rinkhel knockt ihn per Faustschlag aus und überführt ihn und auch Sid, den er seit längerem scharf beobachtet hatte und über dessen Verfehlungen sehr genau Bescheid weiß.

In der Raumstation Terrania Orbital werden unter Aufsicht von Reginald Bull abschließende Vorbereitungen für die Operation Switch getroffen. Das Umschalten der eigenwilligen Stationspositronik auf die umgänglichere Schiffspositronik des GHERWAN-Wracks muss unter strengstem Stillschweigen geschehen, damit die ehemalige Zufluchts-KI davon keinen Wind bekommt. Der Naat Jeethar zeichnet sich für den ersten Fehlschlag verantwortlich, weil seine Umprogrammierung als Schadprogramm eingestuft wird und die misstrauische Positronik ihn entlarven kann. Reg wendet sich verzweifelt an den Kriminellen Allister T. Whistler, der allerdings Gegenleistungen verlangt. Naat Jeethar akzeptiert Whistlers Rolle im Team erst nach einer Demonstration seiner Fähigkeiten. Fortan sind die beiden Computernerds beste Freunde und verblüffen Bull mit einem enorm riskanten, aber erfolgsversprechenden Vorschlag, den er widerstrebend annimmt.

Bull lässt durch die Naats einen Angriff auf Terrania Orbital simulieren, was die Station aus der Reserve locken soll. Der anbrausende Weltraumfahrstuhl lässt Bull aufhorchen, da die Positronik das als kriegerischen Akt werten könnte. Doch Major Rinkhel konnte durch seinen Einsatz die Kabine abbremsen und die Gefahr entschärfen. Die Stationspositronik löst die Ultimativen Waffe aus, da sich die Angreifer nicht zurückziehen und vernichtet beinahe die VEAST’ARK. Durch ihre Tat können Jeethar und Allister T. Whistler der Positronik einen Neustart befehlen, der zur Manifestation der neuen Positronik führt. Im allgemeinen Evakuierungszustand gelingt es den beiden Rekruten Sid und Maurice mit einer Leka-Disk zu entkommen, die Reginald Bull unbehelligt ziehen lässt, weil er in ihr keine Gefahr sieht. Doch Hollander nimmt Kurs auf die Tharsis Montes, wo die Santor leben. Intelligente Pflanzenwesen, denen von den Menschen versprochen wurde, nicht in ihrem Halbschlaf belästigt zu werden. Sid will ihn davon abbringen und geht auf ihn los, als die Leka-Disk von irgendetwas getroffen wird und auf die Oberfläche des Roten Planeten zu rast.

Meinung

Welch große Freude! Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang? Völlig unerheblich, denn das Titelbild ist eine Augenweide! Tolle Farben, tolle Message in Verbindung mit dem eigentlichen Romantitel. Ich war absolut begeistert und genoss die Lichtstimmung sehr. Konnte mich auch Marc A. Herren verzaubern?

Aber bevor irgendwelche Unterschriften unter irgendwelche Verträge gesetzt werden können, begleiten wir erst mal die zwei jungen Hauptdarsteller während ihrer kräftezehrenden Ausbildung zum terranischen Raumsoldaten. Mein erster Kopfschüttler folgte gleich in Kapitel vier. Junge Raumkadetten, zum Teil minderjährig, werden an ihrem ersten Ausbildungstag zum Überlebenstraining sprichwörtlich in den kalten Schnee geschmissen. Und bewältigen eine riesige Strecke in wenigen Stunden durch Tiefschnee. Ich stellte mir umgehend die Frage, welche seichte und logikbefreite Hollywood-Blockbuster-Handlung mich im weiteren Verlauf noch erwarten würde. In bester Arctic-Warrior-Manier gab es dann aber Survival satt auf den nächsten paarunddutzend Seiten. Ohne Punktabzug für benutzte Utensilien wie beim Original. Dafür ging aber eine schwere Gruppenentscheidung voraus, welche Ausrüstung zurückgelassen werden musste, um die Ausbildungsvorgaben zu erfüllen. Soweit wieder im Canon. Ich fühlte mich augenblicklich als sechstes Mitglied der Gruppe, denn die Charaktere wuchsen mir mit der Zeit ans Herz. Hollander gab einen hervorragenden Gruppenführer ab, der sich rührend um seine Schützlinge kümmerte. Die Schwedin Anna Dahlin stellte die gute Seele der Gruppe und den wichtigen Glue Guy dar, wie man im Basketball so schön sagt. Also diejenige Person, die einem wild zusammengewürfelten Team den notwendigen Halt geben konnte und dabei die Schwingungen der einzelnen Mitglieder richtig einzuordnen und mit viel Fingerspitzengefühl in die richtigen Bahnen zu lenken wusste. Hammadi und Brubaker sorgten mit ein paar Aufregern für Unterhaltung, positionierten sich gruppenintern aber eher als Mitläufer. Und Sid beeindruckte mich hauptsächlich mit seiner zurückhaltenden und erwachsenen Art, die er in den letzten Romanen häufig vermissen ließ. Vorbei ist es scheinbar mit dem bockigen Teenager, der nun endlich ernst genommen wird und zeigen kann, was er alles drauf hat. Und damit habe ich auch das Herzstück des Romans beschrieben. Seine lebendigen und euphorisch in die Zukunft blickenden Charaktere, die in tiefgründigen und sehr intimen Dialogen ihre Sehnsucht nach den Sternen ausdrücken! Das komplette Gegenstück zu MMTs Werk, denn…

… letzte Woche ging es mit Michael Marcus Thurner ins bangladeschische Chittagong und in die tiefste Trostlosigkeit. Marc A. Herren verfrachtet uns im aktuellen Roman in eine ähnlich armselige Gegend, wo die Menschen allerdings jahrzehntelang gut von der Raumfahrt leben und überleben konnten. In Baikonur fielen bald keine ausgebrannten Raketenstufen mehr vom Himmel, da der technische Fortschritt diese Materialverschwendung überflüssig gemacht hat. Die Bewohner mussten zwangsweise in Städte und somit in die bittere Armut umsiedeln, da ihre Lebensgrundlage weggefallen ist. Mardam Saripov alias Juri erzählte von seiner Kindheit und ich litt fürchterlich mit ihm mit. Der Romanstart geriet ähnlich düster wie die aufwühlende Vorwochenhandlung in der christlichen Drogen-und Prostitutionshölle in Bangladesch. Festzuhalten bleibt aber, dass die düstere Grundstimmung zwar heftig aufs Gemüt schlägt. Allerdings schwenkte der Tenor bald darauf komplett um und wir NEOristen wurden leserisch in ein neues, utopisches Zeitalter begleitet, das Perry Rhodan als Gründervater mitzuverantworten hat. Erzählerisch funktioniert das hervorragend, da mit persönlichen Gefühlsausbrüchen nicht gegeizt wird. Aussichtslosigkeit und Hoffnung. Armut und beginnender Wohlstand. Uneinigkeit und fruchtbare Diplomatie. Zudem ein Teambuilding der besonders feinfühligen Art, in einer lebensfeindlichen Umgebung, wo andere den Kopf in den Sand stecken würden. Es wird hervorragend erzählt, was das Menschsein wirklich ausmacht und wie erfolgreich eine Spezies sein kann, wenn sie zusammenhält und nicht gegeneinander arbeitet. Ich bin tief beeindruckt und möchte nach dem Lesen selbst als Rekrut bei den Terranern anheuern. Zu den Sternen. Ad Astra.

Reginald Bull fasst einen guten Vorsatz, niemals in seinem Leben ein Politiker zu werden. Wie wir heute wissen, ist ihm das ganz und gar nicht gelungen. Wie das halt so mit guten Vorsätzen oft ist. Im Hauptteil des Romans befinden wir uns aber zum größten Teil in Baikonur und werden lernen die Facetten der Ausbildungseinheiten kennen. Mit viel Ehrgeiz und Beschiss….äh wie bitte!?!? Doch. Genau so gelingt es Sid, die theoretischen Tests zu bestehen, da seine Fähigkeiten eindeutig im praktischen Bereich angesiedelt sind. Sein Freund Hollander gewichtet die Prioritäten ähnlich und betrügt munter weiter, während Sid sich am Riemen reißt und lernt. Es wäre ohne die kleinen Tricksereien möglicherweise also alles anders gekommen und Sid wäre heute noch am Leben. Den üblen Streich selbst verbuche ich keineswegs als Böse-Buben-Unsinn und die ganze Szene wurde mir vom Autor auch eine Nuance zu humorig verfasst. Das war nicht mehr und nicht minder eine vollkommen überflüssige rassistische Entgleisung. Ein wenig mehr Subtilität hätte der Angelegenheit gut gestanden. Das Großmaul Hollander ist allerdings auch mein Star des Romans. Ein starker Kontrast? Auf jeden Fall. Marc A. Herren charakterisiert den Dummbatz allerdings so gelungen, dass man in ihm den typischen Ewiggestrigen wiederfindet. Und am Ende siegt der moralische Aspekt. Ganz stark. Sid stellt sich seinem Kameraden entschieden entgegen und zeigt damit ordentlich Eier! Und Blondchen Anna Dahlin widerlegt das Klischee eindrucksvoll und verführt ihr ehemaliges Techtelmechtel zu einem ungewollten Outing. Ganz stark erzählt! Wie auch die atemberaubenden Finaleinläufe in beiden Erzählsträngen. Die Showdowns auf Mars und auf Terrania Orbital gerieten zu einem ultraspannenden Pageturner. Und letztlich siegt doch das Gute in Allister T. Whistler, der erstmals vor Augen geführt bekam, was wahre Freundschaft bedeutet. Uff.

Zitat des Romans

Bullshit. Reginald Bullshit!

sid erwacht schreiend aus einem albtraum mit einem sprechenden flipper-automaten

Nur ein Dialogbeispiel von vielen. Marc A. Herren zauberte mir des öfteren ein Lächeln auf die Lippen. So auch hier bei einer Albtraumsequenz von Sid González alias El Cid alias Rodrigo de Vivar. Der Flipper-Automat gehörte eindeutig zu meinen Favoriten. Wunderbar einfallsreich, was der Autor hier auf knapp zwei Seiten niedergeschrieben hat. Und noch dazu gelang es ihm, wirklich jede personifizierte Albtraumfigur des rebellischen Teenagers in einen etwas größeren Absatz zu packen. Top!

Fazit und Wertung

Robert Corvus höchstselbst sprach beim Garching Con 12 eine klare Leseempfehlung für diesen NEO aus. Und ich schließe mich unterwürfig der Meinung unseres Meutenführers an. Zwei höchst unterhaltsame Handlungsstränge boten abwechslungsreiche Spannung, 1 A Weltenbau und eine emotional tiefgehende Charakterentwicklung, die zahlreiche Blickwinkel auf die unterschiedlichen Hoffnungen der Raumkadetten eröffnete. Der Antiheld/Großkotz/Dummbatz Hollander ist für mich der Star des Romans, da der Autor ihn herrlich provokant, wenn auch stellenweise zu überzogen, darstellt. Dem entschiedenen Einsatz der Kadetten sei Dank, konnten wir letztlich noch eine tolle Antirassismusbotschaft aus dem Gelesenen ziehen. Der Roman könnte gut und gerne auch als Imagekampagne der Terranischen Union durchgehen, da die Aufbruchstimmung zu den Sternen deutlich spür-und greifbar ist. Der Survivaleinsatz mit den zumeist blutigen Anfängern erschloß sich mir zwar nicht, aber Marc A. Herren schrieb für mich dennoch einen der Top5-Romane der ersten fünf Staffeln. Wozu auch das superspannende Finale in beiden Erzählsträngen maßgeblich beitrug. Botschaft Nummer zwei des Romans lautet: Jeder hat eine zweite Chance verdient! Bösewicht Allister T. Whistler lernt die wahre Bedeutung von Freundschaft kennen und gemeinsam gelingt es ihm und seinem neuen Naat-Freund Jeethar, Bulls Pläne zu verwirklichen. Beide Geschichten hätten zweifellos auch wunderbar unterhaltsame Einzelromane ergeben. Mein aufbruchbereiter Daumen ragt steil in den Himmel über Baikonur.

Classic Review: Perry Rhodan NEO 41 – Zu den Sternen
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