Handlung

Teil I: Die Labori Imara Tugh wurde geweckt, um das aufstrebende Sternenvolk der Yissan auszuspähen. Die so genannten Terraner sollen in naher Zukunft Besuch eines Hordenzugs der Lordrichter erhalten. Bei ihrem Zugriffsversuch auf geheime Daten in der Union Hall, löst NATHAN Alarm aus und macht sich dadurch zu einem wichtigen Angriffsziel. Ihre Flucht führt Imara auf den irdischen Mond, wo sie Sophie Bull-Legacy auflauert, um Zugriff zu einem MINSTREL zu erhalten. Beim erfolglosen Auslesen von Informationen wird sie von der NATHAN-Interpreterin unterbrochen und schlägt diese im Zweikampf bewusstlos. Der Azurschirm steht derweil kurz vor der Inbetriebnahme auf Terra und soll das Sonnensystem im Umfang von zehn Lichtstunden ähnlich gut schützen, wie das akonische Pendant. Am Silvestertag wird dieser feierlich in Betrieb genommen, wobei allerlei namhafte Prominenz zugegen ist. Nach der großen Feier betritt Reg sein Büro im Stardust Tower und überrascht die Labori beim Datenklau, der dieses mal erfolgreich verläuft. Reg wird niedergeschlagen und die Spionin kann aus dem Gebäude fliehen.

Teil II: Der Wissenschaftler Sinus Armstrong findet heraus, dass sich die Gravitationskräfte im Sol-System zu verschieben beginnen, was zu Naturkatastrophen auf den Planeten führt. Deshalb soll der Blaue Schirm vorsichtshalber vorübergehend deaktiviert werden, was aber misslingt, weil sich die Station dagegen verwehrt und Schutzschirme aufbaut. Der Uranusmond Cupid stürzt auf dem Planeten ab, was die Krise verschärft. Als Urheber werden schnell die Überreste der Peregrin-Stele neben dem Stardust Tower ausgemacht. Diese interagiert mit dem Blauen Schirm und die dadurch entstandenen Pulsfrequenzen verursachen gefährliche Gravitationsanomalien. Ein eilig gebohrter Vertikalschacht legt einen Zugang in den Untergrund der Stele, wo Reg mit seinem Team auf schleimigen Widerstand trifft. Der lebendige Organismus greift sie unvermittelt an und verursacht dabei starke Kopfschmerzen. In diesem Moment taucht Imara Tugh auf, zerstrahlt mit Regs Waffe die organischen Überreste der Stele und offenbart sich. Mit einer Warnung an die Menschheit von kosmischer Tragweite. Mit Zerstörung des biologischen Ankers von Catron normalisieren sich die Gravitationsverhältnisse im Sonnensystem. Und Reg findet nach Stella eine neue Liebe.

Meinung

Planet. Kugelraumer. Bissi Weltraumfüllmaterial. Dazu schöne Lichteffekte und eine toll anzuschauende Farbkomposition. Der Planet erweckt beim näheren Hinsehen den visuellen Eindruck einer geschliffenen Linse oder eines Brillenglases. Scharfkantig, wie am Reißbrett entworfen. Gleiches gilt für Asteroiden und den einzelnen Kugelraumer. Als Gesamtwerk bei der Erstbetrachtung schön anzuschauen, bei näherem hinsehen kein Hingucker mehr für mich. Deshalb folgte schnell der Blick ins Taschenbüchlein.

Rüdiger Schäfer hielt sich nicht lange mit Geblubber auf und legte den Fokus auf die ernstzunehmenden Folgen der Aphilie. Während die Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg keine großen Ausreden für ihre irregeleiteten Gedanken und verwerflichen Moralvorstellungen feilbieten konnten, liegt der Fall bei den Aphilikern ein wenig anders. Beeinflußt von einer damals noch unbekannten Macht und ihrer Gefühle und Emotionen beraubt, folgten sie den Lichtern der Aphilie gezwungenermaßen und ohne Wahlmöglichkeiten aufgrund der geistigen Beschränkungen. Ohne die Möglichkeit aufzustehen und für Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie auf die Straßen zu gehen. Ohne die Option, aktiv gegen die herrschenden Lichter anzukämpfen. Dennoch beschreibt der Autor ähnliche Szenen in der aktuellen Rahmenhandlung, wie sie nach Ende des schlimmsten Krieges der Menschheitsgeschichte stattgefunden hatten. Beginnend mit der Geiselnahme eines Opfers, das Täter zu Opfern machen möchte. Aufgrund ihres tiefsitzenden Traumas. Alles nachvollziehbar? Reginald Bull begnadigt die Geiselnehmerin ad hoc. Von Anfang an war damit klar, dass es viel aufzuarbeiten gab, weiterhin gibt und geben wird. Die Menschheit nagt sicherlich noch über Generationen an ihrem aufgezwungenen Schicksal. Perry Rhodan könnte gegen CATRON für eine wichtige Wende im Kampf gegen die Folgen der Aphilie sorgen. Solange geht es aber erstmal im Sonnensystem weiter.

Kapitel 4. Reginald Bull am Grab seiner geliebten Stella. Und da waren sie. Die Emotionen, die ich beim Tod der supersympathischen Staatsfrau einst vermisst hatte. Solche Kapitel liebe ich, weil sie NEO definieren. Starke Charaktere, starke Gefühle. Gänsehaut in Lichtgeschwindigkeit. Das gesamte Kapitel 4 ist für mich eine Verneigung vor dem Charakter Stella Michelsen. Jetzt wird auch offensichtlich, warum Reg es schafft, diesen riesigen Schicksalsschlag so tapfer zu ertragen. Er lebt sein Versprechen an seine geliebte Stella weiter. Erhobenen Hauptes und mit unverwüstlichem Glauben an die Menschheit. Hatte ich schon meine Gänsehaut erwähnt?! Sheela Rogard wird Bull möglicherweise den Halt geben, der ihm mit der Zeit vielleicht fehlen könnte. Eine weitere Staatsfrau würde gerne mit dem Protektor anbandeln. Ich würde es ihm gönnen. Schön zudem, dass Reg mit seinen Töchtern Frieden geschlossen und die Beziehung intensiviert hat. Aus dem vermeintlichen Wrack Reginald Bull ist ein zuversichtlicher Staatsmann und stolzer Vater wie Phönix aus der Asche empor gestiegen. Wer hätte es gedacht?!

Nach NEO 304 blieb es lange ruhig um die Labori. Nun endlich erfahren wir mehr über die große Bedrohung, die uns der Predator alias Amtranik bei seinem Planeteneinsatz angekündigt hatte. Imara Tugh spioniert die Erde aus, um die Horden von Garbesch mit Informationen für ihren Hordenzug auszustatten. Sie selbst kennt nur Unterdrückung und Kontrolle. Die Diktatur unter den Lordrichtern als einzige wahre Regierungsform kennend, findet sie schnell Gefallen und Bewunderung an den Terranern, die so ganz anders handeln als die Logik es aus ihrer Sicht vorsieht. Ich fand diesen Part immens aufschlußreich. Die Reise von Imara Tugh durch Terrania geriet zum Pageturner und vermittelte eine weitere Botschaft des Romans. Nach dem Appell an die Menschlichkeit wurde ein Loblied auf die Demokratie gesungen. NEO ist und bleibt damit der Spiegel unserer Gesellschaft und auch immer eine subtil versteckte, kritische Botschaft an die Querulanten da draußen. Die nicht erkennen wollen, wie gut es uns Menschen -zumindest in den Industrieländern- doch geht. Und wie schnell sich das Blatt wenden kann, wenn man nicht für die Grundpfeiler unserer Demokratie einsteht und danach handelt. Freiheit, Liebe und Respekt kennt Imara Tugh nicht. Möchten wir sein wie die Labori? Wir werden diese selbstverständlichen Werte wohl erst vermissen, wenn wir sie nicht mehr leben können. Dem gilt es entschlossen entgegen zu treten.

Teil II des Romans startete mit einem Paukenschlag und die Naturkatastrophen bahnten sich ihren Weg durch das Sonnensystem. Das traf genau meinen Geschmack. Auch weil wieder alles wissenschaftlich genau aufbereitet wurde von Rüdiger Schäfer. Cupid ist der neunte Mond des Uranus und wurde nach einer weniger bekannten Figur von William Shakespeare benannt. Ein unscheinbarer Brocken bekam einen passenden Namen aufgedrückt. Wurde aber im aktuellen Roman zum Mittelpunkt des Geschehens. Eine Tragödie! Der Brocken stürzt auf Uranus ab und liefert ein bildgewaltig erzähltes Schauspiel der Extraklasse. Mittendrin statt nur dabei. So las sich das für mich. Mit Beginn von Romanhälfte Zwei wurde der tolle Beginn damit sogar nochmal übertrumpft. An sich schon ein Ding der Unmöglichkeit. Uff im Akkord sag ich nur. Wer kennt es nicht?! Ein Buch schlägt einen so sehr in Bann, dass man sogar zu spät zum Abendessen los fährt. Soll passieren. Doof nur, wenn deine Freunde länger auf dich warten, als ein Bundesligaspiel am Samstag dauert. Der Videobeweis blieb aus. Die Nachspielzeit hatte es in sich. Aber das war es mir wert.

Den letzten Teil des Romans leitete erneut ein Paukenschlag ein. Die Peregrin-Stele ist erwacht und Auslöser der Gravitationsanomalien sowie deren gravierende Folgen. Der Chronopuls bekommt nun final eine Bedeutung. Nachdem eine ganze Staffel so genannt wurde, ohne die Bedeutung des Namens befriedigend zu erläutern, fiel jetzt endlich der Vorhang. Kapitel 20 schließlich klärt darüber auf, dass die Lordrichter sich als die selbsternannten „Richter der Vernunft“ sehen. Und das Neuronat, also Catron, war eine Aufgabe, an der die Lordrichter offenbar gescheitert waren. Und nun die Bewusstseinssplitter von Catron endgültig vernichtet werden sollten, bevor sich die „hässliche Fratze“ wieder erheben kann. Die kosmische Tragweite der aktuellen Entwicklung offenbart Imara schließlich in einem sehr interessanten Dialog mit Reg. Teilweise zumindest, Komplettantworten hatte ich auch nie erwartet. Wieder uff. So langsam konnte ich nicht mehr. Wie viel Inhalt passt bitte auf 161 Seiten!?! Antwort: Lies NEO 324! Chaos? Zusammenstöße gigantischer Gebilde zwischen den Dimensionen? Alles hört und klingt seeeehr sehr nach Chaoporter. Und damit dem Großzyklus aus der Erstauflage. Bewusstseinssplitter haben wir gar aktuell in der Erstauflage. ES lässt grüßen. Nun gut. So spannend wie die Geschichte aktuell ist, können mich die Parallelen getrost tertiär tangieren. Auffällig sind sie allerdings schon. Zu auffällig, um zufällig zu sein. Oder?! Aber erst heißt es: Ende gut, alles gut. Reg kann einfach mit Regierungschefinnen.

Zitat des Romans

Ich weiß dass du um mich trauern wirst. Aber tu es nicht zu lange. Zu viel Trauer überdeckt all die schönen Erinnerungen an das, was wir hatten. Versprich mir, dass du das nicht zulässt!

stellas innige bitte an ihren geliebten reg

Fazit und Wertung

Wo soll ich nur anfangen? Nun denn… Erst mal war das ein tolles Leseerlebnis von vorne bis hinten. Ein tiefgründiger Einblick zudem ins turbulente Seelenleben von Reginald Bull. Mit den Labori kam endlich die Großmacht im Hintergrund zum tragen und auch dieser Teil der Geschichte hat mich wunderbar unterhalten können. Mit den Katastrophenszenarios durch die Gezeitenreibung war es dann endgültig um mich geschehen und ich verschlang den NEO innerhalb eines Sonntagnachmittags. Viel zu schnell war das Heft verkonsumiert. Wenn man bei diesem fulminanten Werk überhaupt ein Highlight herausstellen kann, dann ist es für mich die intensive Gesellschaftskritik, welche zwei deutliche Botschaften enthielt. Steh auf und kämpfe für deine Werte und deine Freiheit! Abseits davon bereiten die Horden von Garbesch ihren Feldzug gegen die Milchstraße vor und dank der Geschichte um Imara Tugh wissen wir nun, dass die Lordrichter gnadenlose Diktatoren sind. Die unsere weichlich-menschlichen Werte mit Füßen treten. Imara Tughs bewundernde Gedanken über das soziale Verhalten der Terraner sagt vieles darüber aus, was sie nicht auszusprechen wagt, gegenüber ihren Auftraggebern und ihren Artgenossen. Die Gefahr im Hintergrund ist somit greifbar geworden und die kosmische Tragweite der Geschehnisse rund um Catron lässt übles erahnen. Deshalb war dieser abwechslungsreiche und äußerst kurzweilige Roman für mich das bisherige Highlight der Staffel und erhält wohlverdiente fünf von fünf Azurschirm-Positronikschnittstellen. Über die Parallelen zur Erstauflage werden bzw. haben wir -bei erscheinen dieser Rezension- bereits bei Rüdiger Schäfer höchstselbst nachgefragt. Und möglicherweise ja Antworten erhalten. Ohne bis zur nächsten Staffel zu warten 😉

Review: Perry Rhodan NEO 324 – Die Schläferin
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