Handlung
Oberbefehlshaber Tagrep Kerrek, Kommandant und Flottenchef der Azaraq-Truppen in der lokalen Blase, desertiert. Beim Durchflug einer kleinen Lücke im Margor-Schwall wird sein Kleinraumer von einem aufmerksamen Jäger beschossen und stürzt auf Gäa ab. Ein unter Gypswut leidender Okrill greift Perry und seine Gruppe an und kann paralysiert werden, bevor dem Mausbiber die telekinetischen Kräfte versagen. Als der abgestürzte Pilot geborgen war, offenbarte er gegenüber Perry Rhodan seine persönliche Lebensgeschichte. Damit verbunden teilte er einige wichtige Hintergrundgeschehnisse aus der Eastside, dem Galaktischen Meer, im Volksmund der Azaraq. Wie er in die damals noch geächtete Politik kam, die große Friedensrede hielt und schließlich die versprengten Völker vom Brudermord abhielt und einte. Wie er im Zeitkreellgestöber, durch Kontakt mit einem Zellaktivator von Gessa-Listron, die relative Unsterblichkeit erlangte. Wie ihm seine Frau genommen wurde, seine jüngste Tochter den väterlichen Eingriff in das Gerichtsverfahren nicht akzeptieren konnte und sich schließlich mit ihrem Vater im Streit trennte. Jahre später tauchte sie als Attentäterin wieder auf Gatas auf und erschoss das Oberhaupt von Latos. Dann tauchte eine gigantische schwarze Kugel aus dem Nichts auf, verschlang den Planeten Moloch und verschwand wieder.
Tagrep Kerrek wird von der Schwarzen Kreatur des Todes als Vertreter der Azaraq angesehen und identifiziert sich vor diesem als Paragon. Die Damoksphäre demonstrierte im Hanara-System ihre überlegene Schlagkraft und ließ den Hauptplaneten Han in unzählige Bruchstücke zerbersten. Die Azaraq unterwarfen sich daraufhin Paragon und dienten ihm fortan treu und geschlossen als ein gemeinsames Volk. Tagrep Kerrek kehrte als Tharvis in die Raumflotte zurück, um der Schwarzen Kreatur des Todes zu dienen. Der technische Fortschritt hat seinen Preis und der distanzlose Sprung führt zu schrecklichen Nebenwirkungen bei den Azaraq, die von Paragon als Kollateralschaden abgetan werden. Zurück in der Gegenwart, erscheint die Damoksphäre unvermittelt in Gäa-Nähe.
Meinung
Ein herrlich düsteres Titelbild begrüßt diese Woche die Leserschaft. Grün und Schwarz dominieren. Thematik und Handlung wurden vom Künstler wunderbar in Szene gesetzt. Dadurch hatte ich gleich die richtige Lesegrundstimmung.
Kinder lieben bekanntlich Versteckspiele und das damit einhergehende, ständige kribbeln im Körper, das durch das „verbotene“ Spiel ausgelöst wird. Wir erinnern uns sicherlich alle an den Reiz des Geheimen und Verborgenen. Dieses Gefühl kam bei mir auf, als Lucy Guth aus Sicht von Tagrep Kerrek zu erzählen anfing. Und ich fühlte mich sofort von der Atmosphäre eingesogen. Nach ein paar Zeilen. Verrückt! Mein Herz machte einen weiteren Hüpfer, als mir bewusst wurde dass hier eine kleine Kurzbiographie ins Haus steht. Das Herzstück des Romans. Tagrep Kerrek ähnelt Perry Rhodan sehr. Beide teilen den gleichen Enthusiasmus, die gleiche Volksliebe, dieselben Ideale. Die Gutgalaktikerart der beiden ging tief ins Herz. Ich habe die Erzählung aus der Ich-Perspektive sehr genossen.
Dank des immensen Informationsgehaltes wurde der Leserschaft ein sehr tiefer Einblick in die Historie eines einst unsterblichen Volkes gewährt. Mit dem prologartigen Erzählungsaufbau war ich aber dennoch nicht jederzeit zufrieden. Die eingeschobenen Gesänge der Kreaturen ließen die Erzählung, in Kombination mit der Schöpfungsgeschichte der Azaraq, sehr behäbig wirken. Und nahmen ihr damit, über lange Strecken, den Reiz eines erhofft energiegeladenen, vorbereitenden Staffelfinales. Was nicht heißt, dass mir der Erzählstil widerstrebte. Ich musste mich nur auf das Pacing einstellen, was nach dem rasanten Actionabenteuer aus der Vorwoche eine gewaltige Umstellung bedeutete.
Xartinanas Persönlichkeitsveränderung steht stellvertretend für den gesellschaftlichen Wandel unserer realen Welt. Einschneidende Ereignisse machen aus einem friedliebenden Menschen schnell einen harten Kritiker am System. Der den Fakten nicht mehr zugeneigt ist, sondern auf Einflüsterungen von außen einvernehmlich reagiert. Soweit die gesellschaftskritische Komponente des Romans. Bei aller Tochterliebe, was wäre passiert, wenn sich Kerrek nicht gegen die Traditionen entschieden hätte und seine Tochter sterben hätte lassen, weil sie es nicht aus eigener Kraft aus ihrer Eierschale gepackt hatte. Der Roman ließ somit auch viel Raum für Gedankenspiele. Nachdenklich ging ich ins letzte Romandrittel.
Was mir im Kern am meisten zusagte, war der angenehm leicht zu konsumierende Plot. Keine Quanten, keine wissenschaftlich schwer verdaulichen Themen wurden von Lucy Guth kredenzt. Auf der Speisekarte stand bei aller Übersichtlichkeit zuvorderst das toll erzählte Gleichnis eines Volkes, dessen Gewohnheiten und Ansichten mir näher gebracht wurden. Keine ellenlangen Notizen waren notwendig, um den wesentlichen Sachverhalt am Ende wiederzugeben. Zugegeben, die Handlungszusammenfassung fiel deshalb auch recht kurz aus, weil es eben auch keinen krassen Handlungsfortschritt für die Staffel zu verzeichnen gab. Trotz aller Vorhersehbarkeit wollte ich jederzeit wissen, ob mir noch ein Uff entfleuchen würde oder ob es beim Cozy Fantasy Moment bleiben würde. Wer hätte Xartinana denn schon ernsthaft eine positive Entwicklung zugetraut, nach allem was passiert ist?! Auf eine besondere Art und Weise blieb es unterschwellig spannend.
Paragon alias Die Schwarze Kreatur des Todes alias die Schlange im Paradies. Keine große Überraschung für mich, da der Romantitel die Enthüllung dieser Identität vorweg nahm. Zumindest erklärte das letztlich, warum die Azaraq sich Paragon unterwarfen und woher der Entschluss von Tagrep Kerrek rührte, zu desertieren. Lucy Guth hat die Beweggründe des Tharvis glaubwürdig geschildert. Parallelen zur Erstauflage kamen auch wieder im Roman vor. Paragon macht den Azaraq ein Geschenk an die Raumfahrt und niemand kann das geheimnisvolle Zusatzaggregat analysieren, das ihnen unter anderem das Reisen über größere Distanzen ermöglicht. Die Damoksphäre ist eine riesige schwarze Kugel, die ganze Planeten verschlucken kann und ist somit auf gewisse Art und Weise auch mit dem Brennenden Nichts vergleichbar. Wir bewegen uns, thematisch zumindest, und in typischer NEO-Manier versteht sich, parallel zur Erstauflage.
Zitat des Romans
Wenn sie sich etwas in den Diskuskopf gesetzt hatte, musste es auch um jeden Preis umgesetzt werden.
Tagrep Kerrek sinniert über die Sturheit seiner rebellischen, jüngsten Tochter Xartinana, die ihm sinnbildlich weiße Haare wachsen ließ. Der zitierte Satz steht stellvertretend für das große Drama, das diese Eigenschaft bedingen sollte.
Es waren diese kleinen, teils lustigen, teils tiefgründigen Feinheiten, die mir diese herrliche Kurzbiographie zu einem großen Lesevergnügen werden ließen. Und in Person von Xartinana zu einem Aufruf an die Menschlichkeit wurde. Geboren aus einer gesellschaftskritischen Geschichte, die unser jetztzeitiges Dilemma hervorragend widerspiegelt.
Fazit und Wertung
Lucy Guth liefert mit diesem NEO eine schöne, tragische, informative und gleichermaßen herzergreifende Lebensgeschichte ab. Aus Sicht von Tagrep Kerrek verfasst, was der Story einen besonderen, emotinalen Boost verpasste. Lucy Guth gelang es zudem, einen gesellschaftskritischen und gleichermaßen antirassistischen Appell an die Menschlichkeit zu verfassen, der in persona Xartinana und deren abruptem Sinneswandel eindrucksvoll wieder gegeben wurde. Kerreps zielstrebiger und ungebremster Idealismus ähnelt dem von Perry Rhodan so stark, dass ich ein ums andere Mal bestätigend nickte, wenn dieser wieder eine seiner unpopulären Entscheidungen traf. Das Gleichnis der Kreaturen geriet für meinen Geschmack zu umfangreich und nahm der restlichen Geschichte etwas den Wind aus den Segeln. Was hat das einleitende Staffelfinale über weite Strecken für den Staffelfortschritt getan? Sicherlich eine berechtigte Frage. Eins hat er ganz sicher: Das Verstehen gefördert, warum die Azaraq so handeln, wie sie handeln. Die Schwarze Kreatur alias Paragon steht somit zumindest als halber Uff-Moment zu Buche, da mich diese Enthüllung nicht wirklich überraschen konnte, aber durch ihren biblischen und gesellschaftlichen Kontext besonders brisant erschien. Auch wenn ich mir den vorliegenden Roman lieber als früheren Beitrag zur aktuellen Staffel gewünscht hätte, denn als Vorbereitung für den Showdown von Rainer Schorm, fühlte ich mich sehr gut abgeholt. Vier von fünf glutrote Kreaturen der NEO-Liebe schicke ich mit einer Super-Maxi-Disk ins benachbarte Hessen!