Von Xiran Jay Zhao
Aus dem Englischen von Michaela Link, erschienen 2023 im Penhaligon Verlag, 537 Seiten

Inhalt:
Die Welt der Menschen steht am Abgrund. Grund dafür sind die Hunduns. Sie haben die Menschheit hinter einer großen Mauer zusammengetrieben und der große Krieg bringt für die Zusammengetriebenen große Opfer und harte Schicksale.

Gefangen in einer Welt, die aus Krieg und Traditionen besteht, ist die junge Wu Zetian. Bestenfalls kann ihre arme Bauern-Familie hoffen, dass Zetian vom Militär aufgenommen und als Co-Pilotin/Konkubine eines Mechpiloten ausgewählt wird. Erst das verbundene Qi beider macht es möglich, die großen Maschinen im Krieg gegen die Hunduns zu steuern. Leider überlebt die Co-Pilotin den Kampf in der Regel nicht, da das weibliche Qi „schwächer“ ist.  Für den Verlust wird ihre Familie reich „entschädigt“.

Weil Zetians ältere Schwester bereits vor dem Kampfeinsatz ums Leben kam, blieb der Geldsegen für die arme Bauernfamilie aus. Alle “Hoffnungen” liegen nun in der jüngeren Schwester, doch die hat nicht vor, sich einfach zu opfern. Erst will sie den Tod ihrer Schwester rächen und auch sonst erweist sie sich als sehr sture und wenig sterbenswillige Person. Wu Zetian scheint die Angewohnheit zu haben, Dinge in ihrer Umgebung in Unordnung zu bringen, und das Militär hasst Unordnung.

Und wie es so kommt, erweist sich einiges im Lande Huaxia nicht ganz so, wie es alle glauben und Frauen sind längst nicht so schwach, wie die Männer es immer erzählen wollen …

Meinung:
Beworben wird der Roman mit dem Label „Vom TikTok-Star …“, das hat mich als „alten weißen Mann“ erst einmal abgeschreckt, aber das Buch wurde mir aus sehr vertrauenswürdiger Quelle empfohlen. Und was will man sagen: Volltreffer.

Die Geschichte fühlt sich wie eine Mischung aus dem Film „The Great Wall“ und „Pacific Rim“ an, beides zwei Werke, die mir nicht gut gefallen haben. Aber Xiran Jay Zhao nimmt sich irgendwie das Beste aus beiden Welten und generiert ihre eigene Version.

Und meine Güte, was ist das für eine Geschichte und was für eine Atmosphäre.  Kritiker schreiben, das Buch sei ein Großangriff auf das Patriarchat. Das ist ein großes Wort. Ich fürchte, die allermeisten Bücher haben deutlich weniger Einfluss, als die Autorinnen oder Autoren bzw. ihre Fans das gerne hätten und so wird auch Xiran Jay Zhao das Patriarchat nicht abschaffen. Aber, warum nicht einen Versuch wagen. Für mich fühlt es sich auf jeden Fall wütend an – sehr wütend.

Wut ist definitiv Zetians Motivation, ihr Antrieb, um sich gegen eine Welt zu wehren, die nichts auf sie gibt. Eine Welt, die sie in Formen gießen will und sie dabei verkrüppelt. Eine Welt, die ihr vorschreiben möchte, was aus ihr werden darf und welche Rolle sie zu spielen hat. Die dominierenden Figuren in ihrem Leben sind immer Männer. Ihr Vater, ihre Vorgesetzten, ihre Piloten.  Die wenigen Frauen, wie ihre Mutter, ergeben sich scheinbar artig in ihr Schicksal, weil es schon immer so war. Tradition steht über allem.  

Aber Zetian wäre nicht die Heldin dieses Buches, wenn sie nicht aus dem Gefängnis auszubrechen versuchte und ihren eigenen Weg gehen würde. Zunächst aus Rache für ihre Schwester, dann einfach aus dem übermächtigen Willen heraus, in diesem System zu überleben. Letztendlich wird auch noch viel mehr draus. Wut allein ist an sich wenig als tragende Kraft für einen Roman und dennoch: Für mich funktioniert der Charakter der Zetian sehr gut. Ich kann ihre Motivation und ihren Willen spüren und nachvollziehen und mich hat sie sehr gut durch den Roman getragen.

Etwas, das den Roman zunächst etwas fremd macht, ist die Welt, in der er spielt. Das sieht schon sehr nach China aus, nur irgendwo anders hin transportiert. Die Namen, die Welt, die Mythen, all das fühlt sich sehr chinesisch für mich an. Man muss bis zum Ende des Romans warten, bis erklärt wird, warum die Dinge sind wie sind und warum es eben nicht genau „unser“ China ist, sondern etwas ähnliches.

Die Autorin Xiran Jay Zhao ist als Kind aus China nach Kanada immigriert und ist sowohl auf TikTok als auch auf YouTube sehr umtriebig. Die Nähe zu China, seinen Mythen und Traditionen ist daher nicht zufällig. Und bei aller Kritik und Wertung, die der Roman meiner Ansicht nach betreibt, ist er keine bloße Abrechnung mit der chinesischen Gesellschaft, sondern mit den Zuständen im Allgemeinen (wobei das chin. System da schon eine deutliche Portion abbekommen dürfte). Es ist schon ein deutliches Statement gegen das Patriarchat und das gibt’s halt auch außerhalb von China.

Wenn es etwas gibt, dass mich stört, dann das die Geschichte ab und zu „Abkürzungen“ nimmt. Die Autorin will ganz bestimmte Geschichten, bestimmte Episoden erzählen und muss dafür von „A“ nach „B“. Das kürzt sie hin und wieder ab, indem scheinbar großen Handlungs-Elemente kurz zusammengefasst werden.  Das ist ungewöhnlich, bringt die Geschichte aber auch vorwärts und mit rund 540 Seiten ist der Roman auch nicht zu kurz geraten. Xiran Jay Zhao geht es halt um ihre Version der Geschichte und ihre Inhalte. Andere hätten den Roman möglicherweise um das Doppelte aufgeblasen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tad Williams diese Geschichte auf 540 Seiten hätte erzählen können.

Eine Wahl hat man eh nicht, man muss die Entscheidung der Autorin akzeptieren oder es auch lassen. Ich empfehle ganz klar Ersteres.

Fazit:
Rache im Herzen ist eine meiner ganz persönlichen Entdeckungen 2023 und ich habe einige richtig umwerfende Bücher in diesem Jahr gelesen.  Es ist ein wütendes ungewöhnliches Buch, dass mich ganz stark mitgerissen und fasziniert hat. Selten habe ich so auf eine Fortsetzung gefiebert wie hier. Stand jetzt (März 2024) wird die deutsche Ausgabe noch etwas brauchen – die Angaben schwanken hier.

Die Besprechung des Romans hatte ich schon in unserem Jahresrückblick 2023 angekündigt und ist nun endlich erschienen.

Alex liest: Iron Widow – Rache im Herzen
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